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Geheimcodes im Arbeitszeugnis und ihre Bedeutung

Arbeitszeugnis verstehen

Ihr wisst nicht, was ihr von eurem Arbeitszeugnis halten sollt? Arbeitgeber verstecken Kritik oft hinter fiesen Formulierungen – wir von bigKARRIERE klären auf!

Es ist das einzige und wichtigste Dokument, das euch von eurer Tätigkeit in einem Unternehmen bleibt. Die Rede ist vom Arbeitszeugnis. Darin werden eure Leistungen, Dauer und Art der Beschäftigung sowie euer Verhalten gegenüber Chef und Kollegen dokumentiert. Personalern dient es neben dem Lebenslauf als maßgeblicher Nachweis für eure Eignung für einen Job. Das Zeugnis kann einerseits Türöffner, andererseits aber auch Stolperstein auf eurem Karriereweg sein. Hinter vermeintlichem Lob und wohlklingenden Formulierungen verbirgt sich in Wirklichkeit Kritik und eine schlechte Bewertung. Damit ihr den Geheimcode der Zeugnissprache das nächste Mal versteht, hat ihn bigKARRIERE für euch hier entschlüsselt. Denn nur wenn ihr Negativbewertungen als solche erkennt, könnt ihr euch wehren und ein neues Zeugnis verlangen.

Frau liest ihr Arbeitszeugnis / Foto: inkje / photocase.de
Frau liest ihr Arbeitszeugnis / Foto: inkje / photocase.de

Tabus im Arbeitszeugnis: Offene Kritik und negative Formulierungen

Sicher fragt ihr euch, warum sich Personaler einer solch unverständlichen Sprache bedienen, die nur Experten zu entschlüsseln wissen? Zwar gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, aber allgemeine Grundsätze in der Rechtssprechung, die befolgt werden müssen. So dürfen im Arbeitszeugnis keine negativen Formulierungen stehen. Oder Sätze, die schon auf den ersten Blick negativ sind, wie zum Beispiel: „Herr Meyer hat unseren Erwartungen überhaupt nicht entsprochen.“

Laut Gewerbeordnung sind nur „wohlwollende Formulierungen“ erlaubt. Offene Kritik und diskreditierende Formulierungen sind damit tabu. Wenn ihr also im Arbeitszeugnis Wörter wie „Fehler“, „Probleme“, „Schuld“ oder „Schwierigkeiten“ lest, könnt ihr das beanstanden und im äußersten Fall vor dem Arbeitsgericht sogar eine Änderung erstreiten. Auch negative Bindewörter wie trotz, leider, jedoch, aber, bedauerlicherweise, schade tragen zu einem negativen Gesamteindruck bei und haben in eurem Zeugnis ebenfalls nichts zu suchen. Mancher Arbeitgeber beherrscht den Zeugniscode leider nicht. Aber damit ihr mit einem fehlerhaften Zeugnis später keine Nachteile bei Bewerbungen habt, solltet ihr hier genau auf die Formulierungen achten.

Jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf ein Arbeitszeugnis, in dem die eigene Leistung mindestens mit der Note „befriedigend“ bewertet wird. War der Arbeitgeber mit euren Leistungen nicht zufrieden, kann er dies durch Abstufungen in den Formulierungen zum Ausdruck bringen. Einzige Ausnahme: Wenn ihr euch etwas Gravierendes zu Schulden habt kommen lassen (z. B. Diebstahl) darf bzw. muss sich das im Arbeitszeugnis wiederfinden.

Qualifiziertes Zeugnis – Unterschied zum einfachen Zeugnis

Arbeitszeugnisse werden in zwei Varianten ausgestellt: als einfaches oder qualifiziertes Zeugnis. Die Formulierungen und Geheimcodes, um die es in diesem Beitrag geht, findet ihr nur in einem qualifizierten Zeugnis. Während ein einfaches Zeugnis nachprüfbare Fakten enthält (Welche Tätigkeiten habt ihr von wann bis wann ausgeübt?), bietet ein qualifiziertes Zeugnis neben Fakten auch eine Beurteilung über eure Leistungen und euer Sozialverhalten. Übrigens: Ein qualifiziertes Zeugnis steht euch bereits nach einigen Wochen Beschäftigung zu. Allerdings: Ihr müsst eurem Chef mitteilen, dass ihr ein solches Zeugnis wollt. Nur wenn ihr eine Ausbildung beendet, muss euch euer Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis erstellen, ohne dass ihr selbst die Initiative ergreift.
 

Fiese Formulierungen im Zeugnis – und ihre Übersetzung

Hier ein paar Beispiele fieser Formulierungen, die sich in vielen Arbeitszeugnissen wiederfinden – samt Übersetzung: 

  • Er war stets bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden.

Heißt soviel wie: Ihr habt praktisch nichts geleistet.

 

  • Seine Geselligkeit trug zur Verbesserung des Arbeitsklimas bei.

Heißt soviel wie: Ihr habt gerne mal tief ins Glas geschaut.

 

  • Er war immer mit Interesse bei der Sache

Heißt soviel wie: Ihr habt euch zwar angestrengt, aber geleistet habt ihr nicht wirklich etwas.

 

  • Er hat seine Arbeit mit besonderer Sorgfalt und Genauigkeit erledigt.

Heißt soviel wie: Ihr habt eure Aufgaben zwar erfüllt, aber im Schneckentempo.

 

  • Er hat alle ihm übertragenen Arbeiten ordnungsgemäß erledigt.

Heißt soviel wie: Ihr habt keine Eigeninitiative gezeigt.

 

  • Er ist ein kritischer und anspruchsvoller Mitarbeiter.

Heißt soviel wie: Ihr seid auf der Arbeit ständig am Meckern.

Mann über Büchern / Foto: xibalba / photocase.de
Mann über Büchern / Foto: xibalba / photocase.de

Verschlüsselt: Noten im Arbeitszeugnis

Auch „Noten“ finden sich im Arbeitszeugnis wieder, die über die Zufriedenheit eures Arbeitgebers mit eurer Leistung Auskunft geben. Diese Leistungsbewertung schauen sich Personaler meist als erstes an, wenn sie sich durch einen Stapel an Bewerbungen auf ihrem Schreibtisch kämpfen. Daran kann jeder sofort ein gutes von einem schlechten Arbeitszeugnis unterscheiden. Konkrete Formulierungsbeispiele für die Zeugnis-Gesamtnote gefällig? Bitteschön.

 

  • Note 1 (sehr gut):
    • Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgeführt.
  • Note 2 (gut)
    • Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit ausgeführt.
  • Note 3 (befriedigend)
    • Er hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer Zufriedenheit/zu unserer vollen Zufriedenheit ausgeführt.
  • Note 4 (ausreichend)
    • Er hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit ausgeführt.
  • Note 5 (mangelhaft)
    • Er hat die ihm übertragenen Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit ausgeführt.
  • Note 6 (ungenügend)
    • Er hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen versucht.

<h2>Selbstverständlichkeiten und Abweichungen vom gewohnten Aufbau</h2>
Pünktlichkeit und Ehrlichkeit? Sollte eigentlich selbstverständlich sein, oder? Wenn euer Chef in eurem Zeugnis solche Eigenschaften besonders hervorhebt, dokumentiert er damit, dass ihr ansonsten nichts Überdurchschnittliches geleistet habt.

Eine Abweichung des Zeugnisses vom gewohnten Aufbau ist ebenfalls ein Hinweis auf Kritik. Wird zum Beispiel erst euer Verhalten gelobt und dann eure Arbeitsleistung beurteilt, heißt das zwar, dass ihr als Mitarbeiter keine Probleme bereitet habt, aber eure Leistungen eher zu wünschen übrig ließen. 

Auch wenn zu wichtigen Merkmalen eurer Tätigkeit nichts gesagt wird, ist das nicht gerade schmeichelhaft. Aussagen wie, dass „vom Mitarbeiter gelegentlich eigenständige Ideen“ vorgebracht wurden, können so ganz schnell zum Karrierekiller in einem Arbeitszeugnis werden.
 

Auch die Schlussformel hat es in sich

Last but not least: Auch die Schlussformel im Arbeitszeugnis ist nicht ohne. Hier verteilt euer Ex-Arbeitgeber noch mal klare Noten.

  • Wir bedauern den Verlust von Mitarbeiter XYZ und bedanken uns hiermit für die stets sehr gute und produktive Zusammenarbeit. Das ist eine klare Eins.
  • Wir bedauern, einen so guten Mitarbeiter zu verlieren und sind für die stets gute Leistung zu großem Dank verpflichtet. Das ist eine klare Zwei.
  • Wir bedauern, einen so guten Mitarbeiter zu verlieren und möchten uns für die gute Zusammenarbeit bedanken. Das ist eine klare Drei.
  • Wir möchten uns für die gute Zusammenarbeit bedanken. Das ist eine klare Vier.
  • Für das stete Interesse an der Zusammenarbeit möchten wir uns bedanken. Das ist eine klare Fünf.

Fehlt die Schlussformel, kann das von eurem künftigen Arbeitgeber so interpretiert werden, dass man euch bei eurer alten Arbeitsstelle nicht wirklich vermisst und sich über euren Weggang sogar freut.

Sprechblase als Symbol für Phrasen , die es zu interpretieren gilt / Foto: Seleneos / photocase.de
Sprechblase als Symbol für Phrasen , die es zu interpretieren gilt / Foto: Seleneos / photocase.de

Checkliste: Arbeitszeugnis beim Chef beantragen

  • Ihr solltet das Thema Arbeitszeugnis rechtzeitig vor eurem Ausscheiden aus dem Unternehmen ansprechen. Der Chef ist nicht verpflichtet, von sich aus tätig zu werden.
  • Verfasst eine Liste mit euren Aufgaben und ausgeführten Tätigkeiten. Überlegt, welche der Aufgaben im Zeugnis besonders hervorgehoben werden sollten, weil sie für euren weiteren Berufsweg von Interesse sind.
  • Gebt eure Liste dem Chef. In kleinen Betrieben, die keine eigene Personalabteilung haben, ist der Chef meist froh über eure Vorarbeit.
  • Fragt ihn, ob ihr auch einen Zeugnisentwurf anfertigen dürft. Falls ja, erhaltet ihr in Büchern und im Internet zahlreiche Formulierungsbeispiele für das Arbeitszeugnis.
  • Achtet darauf, dass ihr beim Abschreiben nicht zu viele „Superlative“ aneinander reiht. Sonst erkennen Personaler sofort, dass hier das Zeugnis vom Arbeitnehmer selbst geschrieben wurde.

Arbeitszeugnisse bieten oft Anlass für rechtliche Streitereien. Daher solltet ihr euch euer Arbeitszeugnis bei Erhalt gründlich durchlesen und euren Arbeitgeber so bald als möglich auf mögliche Fehler hinweisen und diese genau beschreiben. So kommen erst gar keine Missverständnisse auf.