Dozenten von morgen
Roboter als Professor?
2017-12-29T18:04:40+01:00
Ist es ein ermutigender Digitalisierungsschub oder die dekadente Verachtung dessen, was Lehrende zu guten Pädagogen macht, wenn humanoide Roboter die Hörsäle okkupieren? bigKARRIERE nimmt sich der Frage um Uni-Roboter an.
Humanoide im Hörsaal: Was Robotik in der Lehre leisten kann und was nicht
Noch ist es eine Ausnahme, wenn ein Roboter als Dozent in der Vorlesung steht. So wie kürzlich in Marburg an der Philipps-Universität. Dort eröffnete der 1,20 Meter große Pepper mit den Worten "Darf ich um Aufmerksamkeit bitten, es geht jetzt los" die Unterrichtsstunde. Die rund hundertköpfige Studierendenschaft war ungewöhnlich still und konnte sich mehrheitlich das Lächeln nicht verkneifen. Denn mit seinen riesigen Kulleraugen wirkt Pepper geradezu putzig. Auch an der University for Applied Sciences in Frankfurt trat Pepper – ein Klon der gleichen Baureihe – vor wenigen Wochen vor Studenten auf. Künftig könnte das häufiger passieren. Denn im Rahmen des Projekts H.E.A.R.T. wird aktuell erprobt und evaluiert, wie gut das mit dem Roboter als Dozent an deutschen Unis funktioniert. Das Projekt wird vom Bundesforschungsministerium gefördert.

In Marburg war es Peppers Aufgabe, die Disziplin der Linguistik und die menschlichen Tutoren des Kurses vorzustellen. Anschließend hielt der Möchtegern-Prof ein Wissensquiz. Währenddessen konnte der Professor aus Fleisch und Blut, Jürgen Handke, mit einzelnen Studenten persönlich reden. An der Frankfurter Uni durfte Pepper eine DIN-Norm erläutern und über die menschlichen Ansprüche beim Einsatz von Robotern referieren. Während der zeitraubenden Ausführungen hatte Prof. Barbara Klein Gelegenheit, sich einzelnen Studenten zu widmen. Stellt sich die Frage: Werden zukünftige Studentengenerationen von eifrigen Blechkisten gelehrt?
Dass so ein Prof. Pepper bald tatsächlich Vorlesungen hält, ist äußerst unwahrscheinlich. Dafür stehen Aufwand und Mehrwert in keinem Verhältnis. Ein humanoider Roboter wie Pepper kostet rund 18.000 Euro. Er kann sich auf Rollen bewegen, Gesichter erkennen, Sprache verstehen und einfache Konversation betreiben. Doch das nicht von allein. Alles, was ein Roboter als Dozent tut und sagt, muss ihm erst ein Mensch auf die Festplatte spielen. Für die Vorlesung in Marburg war ein Mitarbeiter zwei Wochen lang vollzeitlich damit beschäftigt. Auf ungeplante Nachfragen antworten kann Pepper nicht, einen mitreißenden Vortrag halten auch nicht. Spontanität? Fehlanzeige. Damit eignen sich Systeme wie Pepper höchstens für immer wiederkehrende Standardaufgaben: Wann ist der Klausurtermin? Wo muss man sich anmelden? Wie lautet die E-Mail-Adresse des Professors? Gefühlte hundert Mal im Semester werden diese Fragen gestellt. Pepper könnte sie hundertmal beantworten.
Zudem hindern einige Details den humanoiden Assistenten daran, autonom zu unterrichten: er braucht eine Weile, bis er Fragen verarbeitet und antworten kann, lässt sich nur schwer von Raum zu Raum bewegen und arbeitet am besten, wenn er an der Steckdose hängt. Auch bei der Marburger Vorlesung hat nicht alles reibungslos geklappt. Pepper litt an Reizüberflutung und hatte einen Systemabsturz. Deshalb ist Prof. Handke sicher, dass in absehbarer Zeit "kein einziger Lehrer oder Professor von einem Roboter verdrängt" wird. Und er bekräftigt, dass das gar nicht das Ziel sei. Vielmehr gehe es darum, anspruchslose Assistenzaufgaben an den künstlichen Kollegen abzugeben. Und auch das Betreuungsverhältnis zwischen Studenten und Lehrenden könnte ein Roboter als Dozent verbessern. Auf dem Gebiet sei "jede Hilfe willkommen", meint Handke.
Pepper in höchstens eine Zwischenlösung, die noch viele Verbesserungen durchlaufen wird – wie es bei anderen technischen Hilfsmitteln der Fall war. Ob Beamer oder Handy, am Anfang ist die Technik immer wuchtig und unreif. Peppers Zukunft wird eher in der Altenpflege, in Krankenhäusern und im Einzelhandel gesehen – Konkurrenz von Pepper müssen Pädagogen nicht fürchten.
Fazit: Prof. Pepper? Pustekuchen!
In ferner Zukunft könnten Roboter womöglich eine größere Rolle in der Uni-Lehre oder auch in der Jobsuche einnehmen. Doch noch ist ein Roboter als Dozent keine valide Option – zu groß ist der Aufwand und zu klein der Nutzen.
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