Bewerbungsgespräch ade
Darum haben Jobinterviews keine Zukunft
2017-04-15T17:22:44+02:00
Auch wenn die junge Bewerbergeneration offen für moderne Bewerbungsmethoden ist, die aktuelle Personaler-Riege hält noch an Altbewährtem fest. Doch lange kann es so nicht bleiben, sagen Forscher voraus. bigKARRIERE hinterfragt für euch, was sich warum ändern wird!
Keine Zukunft für Bewerbungsgespräche
"In Zukunft haben Bewerbungsgespräche keine Chance", behauptet die aus der Schweiz stammende Harvard-Professorin Iris Bohnet. Ihrer Meinung nach ist es allerhöchste Zeit, dass der Bewerbungsprozess objektiver und rationaler wird und selbst unbewusste Vorurteile endlich keine Rolle mehr spielen. Denn noch können fremdländisch klingende Namen, das Geschlecht, ein paar Jahre zu viel auf dem Buckel oder ein Abschluss von einer Uni mit suboptimaler Reputation beim Personaler negative Emotionen wecken und die Einstellungsentscheidung nachteilig beeinflussen. Zukünftig könnten absolut anonymisierte Bewerbungen und zusätzliche Tests dafür sorgen, dass nur die objektiv besten Kandidaten eingestellt werden.
Wie das funktioniert, hat Prof. Bohnet selbst ausprobiert, als die Stelle der persönlichen Assistenz besetzt werden musste. Engagiert hat die Professorin eine Frau, die ihr eigentlich gar nicht so sympathisch war. Dafür war die neue Assistentin laut Lebenslaufanalyse, Probearbeit und Interview objektiv am besten qualifiziert. Noch hat die Professorin ein Bewerbungsgespräch geführt - allerdings nicht auf traditionelle Art und Weise. Den sechs Kandidaten der letzten Runde wurden die gleichen fünf Fragen gestellt, ihre Antworten mit Punkten bewertet. Wer am Ende quer durch die Bank die höchste Punktzahl hatte, bekam den Job. In Zukunft werden Bewerbungsgespräche aber komplett entfallen, prognostiziert Bohnet. Firmen wie SAP tüfteln aktuell schon an Computerprogrammen, die die Entscheidungsprozesse des Personalmanagements übernehmen sollen. Bei den sogenannten "people analytics" fallen alle Entscheidungen strikt nach Datenlage. Eine Revolution im Personalwesen, wo heute stellenwiese Persönlichkeit, Vitamin B und das ein oder andere Klischee die tragende Rolle spielen.

Änderungen bei Bedeutung von Bewerbungsunterlagen erwartet
Auch Forscher von der Universität Bamberg prognostizieren, dass sich der Bewerbungsprozess zukünftig verändern wird. Die im Auftrag der Stellenbörse Monster erstellte Studie wertete Angaben von Jobkandidaten und den größten Unternehmen Deutschlands aus. Insgesamt kommt die Untersuchung zum Schluss, dass es in Zukunft eine Verschiebung der Gewichtung der Bewerbungsunterlagen geben wird. Einen Bedeutungszuwachs erwarten die Wissenschaftler für "harte Fakten" wie den Lebenslauf und das Abschlusszeugnis der Hochschule.
Mit einem Bedeutungsabfall rechnen sie hingegen für das Schulzeugnis und das Anschreiben. Von den 1.000 größten Unternehmen in Deutschland denken nur 59,8 Prozent, dass das Anschreiben zukünftig ein wichtiges Auswahlkriterium sein wird. Demnach könnten in Zukunft nicht nur Bewerbungsgespräche, sondern auch der zweite sehr persönliche Teil der Bewerbungsunterlagen, das Anschreiben, an Bedeutung verlieren. Dass das Universitäts- bzw. Abschlusszeugnis zukünftig wichtig bei der Auswahl von Mitarbeitern sein wird, denken rund acht von zehn Unternehmen.
Fazit
Beide wissenschaftlichen Ansätze deuten in die gleiche Richtung: Der Wert objektiver Daten im Bewerbungsprozess wird zukünftig steigen und subjektive Eindrücke stärker in den Hintergrund rücken. Ob das in der Praxis bedeutet, dass es mehr Chancengleichheit und Gerechtigkeit geben wird, ist unklar. Denn im Sommer 2016 hat beispielsweise Siemens das Projekt "Anonyme Bewerbung" vorerst ad acta gelegt. Obwohl dadurch nachweislich andere Kandidaten als gewöhnlich zum Bewerbungsgespräch geladen wurden, ergaben sich keine Änderungen bei den Einstellungen. Zwar mag die Zukunft für Bewerbungsgespräche grimm aussehen, aber solange wir nicht von Computern regiert und selektiert werden, haben wir mit Menschen und ihren bewussten und unbewussten Emotionen zu tun. Wer sich bei der Jobsuche dessen besinnt, dass Layout, Inhalt und persönliches Auftreten weiterhin eine Rolle spielen, hat im Bewerbungsverfahren rundum bessere Chancen.
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