Staatsvertrag fürs Medizinstudium
NC-Hürde ade?
2018-05-26T15:56:29+02:00

Das Bundesverfassungsgericht hält den Numerus clausus beim Medizinstudium teilweise für verfassungswidrig. Fällt die Hürde bald und kann dann jeder Medizin studieren? Dieser und weiteren Fragen rund um den Staatsvertrag zum Medizinstudium sind wir für euch nachgegangen.
Medizin studieren: Das Drama der Studienplatzvergabe
Wer in Deutschland Arzt werden will, muss Bestnoten im Abi haben, oder ewig auf einen Studienplatz warten. Denn bisher spielt die Abiturnote bei der Studienplatzvergabe eine wesentliche Rolle. Der Vergabeschlüssel der zentralen Vergabestelle, der Stiftung für Hochschulzulassung, funktioniert so: 20 Prozent der verfügbaren Plätze werden über die Abiturnote verteilt, weitere 20 Prozent über die Wartedauer (momentan 15 Wartesemester), für die übrigen 60 Prozent darf jede Hochschule eigene Zulassungskriterien festlegen. 80 Prozent der Hochschulen setzen aber auch dafür die Abiturnote an, wie eine Studie vom Centrum für Hochschulentwicklung belegt. Der Abiturnote kommt somit eine zentrale Rolle zu.
Vor 20 Jahren reichten noch Abiturnoten im Bereich von 1,6 bis 2,2, um einen Studienplatz in Humanmedizin zu ergattern. Weil das Studienfach aber immer mehr Bewerber lockt, wurde der Numerus clausus (NC) über die Jahre immer weiter nach oben geschraubt. Momentan liegt der NC für Medizin an vielen Hochschulen bei mindestens 1,2. Durch den hohen NC wird der Zugang zum Studium stark begrenzt. Nur wenige Interessenten bekommen eine Zusage. Im Wintersemester 2017/18 erhielten 9.176 von 43.184 Bewerbern einen Studienplatz. Dass die Abiturnote so bedeutend ist, ist dem sogenannten Staatsvertrag zum Medizinstudium entsprungen. Dieser bestehende Staatsvertrag der Bundesländer legt die Auswahlkriterien zur Studienplatzvergabe fest. Doch mit dem Urteil vom 19.12.2017 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es so nicht weitergehen kann.

Urteil des Bundesverfassungsgerichts: NC vor dem Aus?
Die Bundesverfassungsrichter sehen das bisherige Verfahren zur Studienplatzvergabe in Medizin als teilweise verfassungswidrig an. Das heißt, als mit dem Grundgesetz in Teilen nicht vereinbar, weil es das Recht auf freie Berufswahl (Artikel 12 GG) verletzt. Damit hat das BVerfG der Politik den Auftrag erteilt, den Staatsvertrag zum Medizinstudium bis zum 31. Dezember 2019 neu zu regeln. Fünf Punkte gaben die Richter den Politikern mit:
1. Die Abiturnote hat aktuell zu viel Gewicht. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil es kein bundeseinheitliches Abitur gibt.
2. Die Ortspräferenz darf nicht wichtiger als die Abiturnote sein.
3. Es muss mindestens ein weiteres notenunabhängiges Auswahlkriterium geben.
4. Die Wartedauer darf zukünftig maximal acht Semester betragen.
5. Das Auswahlverfahren muss bundesweit standardisiert und strukturiert sein.
Erste Eckpunkte der Neufassung sollen bereits im Mai 2018 stehen. Der neue Staatsvertrag zum Medizinstudium soll dann Anfang 2020 in Kraft treten.
Aussichten: Neuregelung der Studienplatzvergabe
Der Staatsvertrag zum Medizinstudium wird reformiert, um die Bedeutung der Abiturnote bei der Studienplatzvergabe zu reduzieren. Stattdessen werden andere, nicht schulnotenbasierte Auswahlkriterien an Bedeutung gewinnen. Dazu sind mehrere Möglichkeiten denkbar. Etwa der sogenannte Medizinertest (Test für medizinische Studiengänge) könnte standardmäßig eingesetzt werden, wie es bereits zwischen 1986 und 1996 Routine war und heute in Baden-Württemberg und andernorts praktiziert wird. Möglich sind auch Interviews, Rollenspiele oder ein anderer Test, der naturwissenschaftliches Wissen, logisches Denken und soziale Kompetenzen abfragt. Zudem fordert die Bundesärztekammer eine stärkere Berücksichtigung von Berufserfahrung und sozialem Engagement bei der Studienplatzvergabe. Einige Unis nutzen diese Mittel bereits, für andere Hochschulen war bisher die Vergabe über Abiturnoten schlicht einfacher. Künftig muss aber deutschlandweit ein einheitlicher Standard bei der Studienplatzvergabe gelten, bei dem die Abiturnote nicht das A und O des Vergabeverfahrens ist. Den müssen jetzt die 16 Bundesländer neu aushandeln.
Fazit
Auch wenn der Staatsvertrag zum Medizinstudium neu aufgelegt wird, ein Ende der NC-Hürde bedeutet das nicht. Das Studienfach Humanmedizin wird auch weiterhin zulassungsbeschränkt bleiben. Die Verfassungsrichter haben allerdings entschieden, dass die Vergabe der Studienplätze besser geregelt werden muss. Jetzt hat die Politik die Aufgabe, neue Kriterien dafür auszuarbeiten.
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