Zweiter Bildungsweg
So kommt ihr weiter
2016-10-09T16:07:45+02:00
Nicht jeder weiß mit zehn oder zwölf Jahren schon genau, was er will. Allerdings entscheidet sich in diesem Alter für viele die schulische Laufbahn: Geht es in Richtung Hauptschul- oder Realschul-Abschluss oder ab aufs Gymnasium? Je nachdem, welchen Weg man einschlägt, eröffnen sich unterschiedliche Möglichkeiten: Berufsausbildung oder Studium! Habt ihr den Schulabschluss verpasst? Oder würdet ihr gerne einen höheren Schulabschluss nachholen und euch neue Möglichkeiten eröffnen? Zum Glück hat man in Deutschland auch als ehemaliger Schulmuffel noch die Möglichkeit, einen höheren Abschluss nachzuholen. Die Antwort heißt: Zweiter Bildungsweg.
Bevor ihr euch aber voll motiviert an die Arbeit macht, solltet ihr euch eine Frage stellen: Was ist euer Ziel? Dieses solltet ihr so konkret wie möglich formulieren und euch vor Augen führen. Denn der Weg zum Abschluss über den zweiten Bildungsweg ist mit viel Arbeit und Einsatz verbunden. Wenn ihr euch zum Beispiel vornehmt, das Abitur nachzuholen, „weil das irgendwie vielleicht ganz gut wäre“, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ihr die Motivation verliert. Mit einem konkreten Ziel vor Augen sind eure Erfolgschancen höher, zum Beispiel: „Ich bin Rechtsanwaltsfachangestellte und möchte Abitur machen, damit ich Jura studieren und selbst Anwältin werden kann.“
Außerdem solltet ihr euch fragen: Kann ich die nötige Disziplin aufbringen? Habe ich wirklich wieder Lust, die Schulbank zu drücken? Kann ich mit den eventuellen finanziellen Einschränkungen für drei oder vier Jahre leben? Was ist meine persönliche Leistungsgrenze?

Zweiter Bildungsweg: Welche Schulabschlüsse kann ich erwerben?
Zweiter Bildungsweg – was bringt er? Kurz gesagt könnt ihr auf dem zweiten Bildungsweg jeden Abschluss erwerben, den das deutsche Bildungssystem anbietet. Am häufigsten wird er jedoch genutzt, um das Abitur abzuschließen. Aber welche Abschlüsse gibt es in Deutschland überhaupt? Und was kann man damit machen? Der grundlegende Schulabschluss ist zunächst der Hauptschulabschluss, den ihr normalerweise nach der neunten Klasse erwerben könnt. Es gibt inzwischen auch andere Bezeichnungen dafür, z.B. Berufsbildungsreife oder Erster allgemeinbildender Abschluss. Um eine Ausbildung zu beginnen, ist der Hauptschulabschluss für die meisten Unternehmen die mindeste Voraussetzung. Je nach Beruf kann auch ein höherer Abschluss nötig sein.
Wer seinen Abschluss an einer Realschule macht, erhält meist die sogenannte Mittlere Reife oder den Qualifizierten Sekundarabschluss I. Er ist die Grundlage für viele Berufsausbildungen und häufig auch für den Besuch einer Berufsfachschule. In einigen Bundesländern erlaubt er aber auch den Besuch einer Fach- oder Berufsoberschule, an der ihr die Hochschulreife erwerben könnt.
Bei der Hochschulreife unterscheidet man zwischen der Fachgebundenen und der allgemeinen Hochschulreife. Die Fachgebundene Hochschulreife berechtigt zum Besuch einer Fachhochschule. Im Gegensatz zu einer Universität steht hier häufig der praktische Aspekt des Studiums im Vordergrund und weniger der theoretische. Mit der Allgemeinen Hochschulreife könnt ihr an allen Hochschulen und Universitäten studieren. Zusätzlich dazu gibt es aber für besonders begehrte Studiengänge noch ein zentrales Vergabeverfahren.
Welche Schularten gibt es im zweiten Bildungsweg?
Wenn ihr wisst, welchen Abschluss ihr gerne nachholen möchtet, steht die nächste Frage an: Wie stelle ich es am besten an? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg zu erwerben. Am gängigsten ist der Besuch einer Abendschule oder eines Kollegs. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, eine Fernschule zu besuchen oder sich in Eigenregie auf die sogenannte Schulfremdenprüfung vorzubereiten.
Die Voraussetzungen sind für alle Varianten gleich: Ihr müsst mindestens 19 Jahre alt und arbeitssuchend gemeldet oder berufstätig sein. Zudem solltet ihr entweder schon eine Ausbildung abgeschlossen oder mindestens zwei Jahre einen Beruf ausgeübt haben.
Zweiter Bildungsweg: Kolleg
Kurz gesagt: Ein Kolleg besucht ihr tagsüber, während die Abendschule oder das Abendgymnasium abends besucht wird. Das ist aber nicht der einzige Unterschied. Um einen Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg über ein Kolleg zu erwerben, müsst ihr mit etwa 30 Stunden Unterricht pro Woche rechnen, der vormittags oder nachmittags stattfinden kann. Wie im normalen Gymnasium wählt ihr Leistungskurse und schreibt Klausuren in den verschiedenen Fächern. Die Anmeldung ist jeweils zu Semesterbeginn im Frühjahr und Herbst möglich.
Das Kolleg ist eine gute Wahl, wenn ihr euch ganz auf den Abschluss konzentrieren wollt und könnt. Da es tagsüber stattfindet, lässt es sich meist nicht so gut mit einem Job kombinieren. Hier ist es also hilfreich, wenn ihr finanzielle Unterstützung bekommt oder etwas angespart habt.
Die Alternative: Abendschule
Wie der Name schon sagt, findet die Abendschule nach 18.00 Uhr statt. Die genauen Unterrichtszeiten variieren je nach Schule. Der Stoff wird hier auf nur 20 Stunden komprimiert. Bei beiden Schulformen müsst ihr mit etwa drei Jahren rechnen, bevor ihr euer Abschlusszeugnis in der Hand halten könnt. Habt ihr bisher nur einen Hauptschulabschluss vorzuweisen, so dauert es im Normalfall etwa ein Jahr länger.
Diese Variante ist dann vermutlich besser für euch, wenn ihr schon im Berufsleben seid und nicht aussteigen wollt oder könnt – oder auch, wenn ihr bereits eine Familie habt und nicht so viel Zeit investieren könnt. Sie benötigt aber besonders viel Disziplin und Durchhaltevermögen. Denn einfach ist es nicht, zusätzlich zu Berufsalltag und womöglich auch den Elternpflichten noch abends die Schulbank zu drücken. Die Entscheidung will also gut überlegt sein – ist den Einsatz aber auf jeden Fall wert.
Ferninstitute und Externenprüfung
Mit Hilfe eines Ferninstituts könnt ihr den Abschluss erwerben, indem ihr z.B. Webinare besucht und von euren Dozenten per E-Mail oder Videochat betreut werdet. Diese Variante ist meist recht teuer, da ihr hier die Betreuung durch den Dozenten und das Unterrichtsmaterial bezahlen müsst. Dafür bietet sie euch aber auch am meisten Flexibilität und ist auch mit einem anspruchsvollen oder unberechenbaren Berufsalltag am ehesten vereinbar.
Schließlich könnt ihr auch ganz auf die Schule verzichten und euch zuhause im Alleingang auf die Abschlussprüfung vorbereiten. Die Möglichkeit der sogenannten Externen oder Schulfremdenprüfung fordert vermutlich die meiste Disziplin, da ihr hier nahezu komplett auf euch selbst gestellt seid. Für die Anmeldung zur Prüfung bei der staatlichen Schulbehörde müsst ihr nachweisen, dass ihr euch angemessen vorbereitet habt, zum Beispiel über VHS-Kurse oder im Selbststudium. Zudem wird eine Prüfungsgebühr fällig, die sich je nach Bundesland unterscheidet.

Wie finanziere ich den Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg?
Gute Nachrichten: Der Unterrichtsbesuch selbst kostet nichts, sofern ihr nicht eine Privatschule oder eine Volkshochschule besucht. Allerdings können Kosten für Unterrichtsmaterialien fällig werden, im Fernlehrgang ist außerdem die Betreuung kostenpflichtig. Trotzdem bedeutet der erneute Schulbesuch in den meisten Fällen einen finanziellen Einschnitt. Um euch den Traum vom höheren Abschluss zu erfüllen, könnt ihr aber Bafög beantragen. Dieses ist auf dem zweiten Bildungsweg unabhängig vom Einkommen eurer Eltern. Wenn ihr für Bafög nicht qualifiziert seid, aber bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen habt, könnt ihr eventuell einen Bildungskredit in Anspruch nehmen. Stipendien dagegen sind im zweiten Bildungsweg sehr selten und werden nur in Ausnahmefällen vergeben.
Nach Abschluss einer Ausbildung habt ihr Anspruch auf Bafög, wenn ihr einen weiterführenden allgemeinbildenden Abschluss erwerben wollt, also beispielsweise das Abitur. Dies gilt aber nur, wenn ihr damit dann auch eine weiterführende Berufsausbildung, also zum Beispiel den Besuch einer Fachhochschule anstrebt. Wenn ihr diese weiterführende berufliche Ausbildung abbrecht, gilt die gesamte Ausbildung als abgebrochen und ihr seid nicht mehr forderungsfähig. Vorsicht auch bei der Altersgrenze: Wenn ihr während des Schulbesuchs das 30. Lebensjahr erreicht, müsst ihr unmittelbar im Anschluss auch studieren oder die weiterführende berufsbildende Ausbildung beginnen.
Wenn ihr nicht sicher seid, ob ihr für eine Förderung des zweiten Bildungswegs in Frage kommt, könnt ihr einen Vorabentscheid beantragen – bevor ihr euch für die erneute Ausbildung entscheidet. Übrigens: Falls euer Abschluss auch Praktika vorsieht, so erhaltet ihr den Zuschuss auch während ihr diese Praktika absolviert.
Das Wichtigste im Überblick:
- Man muss 19 Jahre alt, berufstätig oder arbeitssuchend sein und eine Ausbildung abgeschlossen oder bereits gearbeitet haben.
- Grundsätzlich kann jeder Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg erworben werden.
- Die Schulausbildung dauert drei bis vier Jahre.
- Die gängigsten Schulformen sind Kolleg und Abendschule.
- Weitere Möglichkeiten sind Fernlehrgänge oder das Selbststudium.
- In vielen Fällen kann elternunabhängiges Bafög beantragt werden.