Mann mit Brille
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Mann mit Brille
Chance statt Rückschritt

Ausbildung nach dem Studium

Nach dem Studium eine Ausbildung machen? Wie bitte? Was zunächst widersinnig klingt, kann für manche Uni-Absolventen eine echte Karrierechance darstellen.

Macht ein Studium, dann gehört euch die Welt. Diesen Rat bekamen junge Menschen früher von ihren Eltern und Berufsberatern mit auf den Weg. Heute aber drängen zu viele Abiturienten an Unis und Hochschulen. Doch nicht alle sind für eine wissenschaftliche Ausbildung geeignet: Für die einen sind die Anforderungen an der Uni schlicht zu hoch, den anderen fehlt der Praxisbezug im Studium. Wenn dann das Studium mit Ach und Krach über die Bühne gebracht wurde, kommen nicht wenige ins Grübeln und fragen sich: Nach dem Studium noch eine Ausbildung machen: Lohnt sich das überhaupt?

In den beiden vergangenen Jahrzehnten hat sich die Zahl der jungen Menschen, die ein Studium beginnen, fast verdoppelt. Mehr Akademiker auf dem Arbeitsmarkt, das bedeutet auch einen härteren Kampf um die besten Jobs für Uni-Absolventen. Gleichzeitig hat sich auch der Arbeitsmarkt gewandelt: Flexibilität und Vielseitigkeit sind heutzutage Trumpf. Gerade Absolventen der theorielastigen Geisteswissenschaften müssen heute Umwege in Kauf nehmen, Weiterbildungen machen oder sich sogar umorientieren, um sich beruflich zu behaupten. Dazu kann auch die Entscheidung für eine Ausbildung gehören.

Finanziell bedeutet die späte Ausbildung sicherlich zunächst einen Rückschritt. Statt eines durchschnittlichen Gehalts von 3.400 Euro brutto im Monat, verdient man als Azubi im ersten Lehrjahr nur knapp 700 Euro. Konntet ihr euch während des Studiums mit Bafög und Nebenjobs vielleicht noch eine kleine Wohnung leisten, ist das mit einem schmalen Lehrlingsgehalt oft nicht mehr drin.

Doch schlimmer als die finanziellen Einbußen ist die Angst vor dem „Statusverlust“. Denn ein Studium genießt nach wie vor hohes Ansehen in Deutschland. Am liebsten würde man die Entscheidung vor Freunden und Bekannten geheim halten, um nicht als Versager dazustehen. „Dann war ja alles umsonst", „Das hättest du vor sieben Jahren auch schon haben können", tönt es dann nicht selten aus dem näheren Umfeld.

Gute Gründe für eine Ausbildung nach dem Studium

Im ersten Moment mag es widersinnig klingen: Man geht jahrelang zur Uni, erhält seinen Bachelor oder Master und fängt dann praktisch noch mal ganz von vorne an. Aber: Für manche Uni-Absolventen mag es sinnvoll sein, nach dem Hochschulabschluss eine Ausbildung zu beginnen. Hier einige Gründe:

  • Unzufriedenheit

Wer ein Studium beginnt, hat meist noch keine richtige Vorstellung von dem, was ihn im Unialltag erwartet. Entspricht das Studium nicht den Erwartungen, bleiben einem nur zwei Möglichkeiten. Entweder, man zieht das Studium bis zum bitteren Ende durch. Oder aber man bricht das Studium ab und orientiert sich um. Wer sich bis zum Bachelor oder Master durchgebissen hat, muss sich dann fragen: Soll ich wirklich viele Jahre in einer Branche arbeiten, die mich nicht glücklich macht? Oder drücke ich doch lieber die Reset-Taste und starte eine Ausbildung in einem ganz neuen Bereich?

  • Schlechte Jobaussichten

Sicher kennt ihr auch den ein oder anderen im Freundes- und Bekanntenkreis, der Archäologie oder Geschichte studiert hat, wo die Jobaussichten schon von Beginn an nicht rosig waren. Doch aus persönlichen Gründen und aus Interesse für das Fach hat man das Studium durchgezogen. Obwohl ihr euch schließlich auf die wenigen Stellen beworben habt, hat es für einen Vollzeit-Job nicht gereicht. Der einzige Ausweg: Sich nach abgeschlossenem Studium um eine Lehrstelle bemühen.

  • Mangelnde Praxiserfahrung

Auch wenn Studiengänge häufig als praxisorientiert angepriesen werden, sind diese doch oft recht theorielastig. Lediglich durch Praktika erwirbt man etwas Praxiserfahrung. Insbesondere wenn ihr etwas aus dem Bereich Kulturwissenschaften studiert, habt ihr schlechte Karten. Denn selbst mit abgeschlossenem Master-Studium befähigt euch euer Wissen zu nichts Konkretem. Es mag hart klingen, ist aber Realität: Für eine erfolgreiche Karriere zählt heute vor allem Praxiserfahrung. Mit einer Ausbildung nach dem Studium kann das erworbene Wissen praktisch angewendet werden.

Einen Beruf nach der Uni lernen? Nur nichts überhasten

Eine falsche Entscheidung muss nicht das Ende eurer beruflichen Träume bedeuten. Wenn ihr vor der Frage steht, ob ihr nach der Uni noch einen Beruf erlernen sollt, lautet der Rat: Nichts überstürzen! Denn ansonsten könnte dadurch euer weiterer beruflicher Werdegang negativ beeinflusst werden. Ob eine Ausbildung nach dem Studium sinnvoll ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Alter

Eine Ausbildung nach dem Studium machen - dafür gehen noch mal zwei bis drei Jahre drauf. Für ehemalige Studenten kann es belastend sein, mit Mitte bzw. Ende 20 nach Jahren eigenverantwortlichen Lernens noch einmal in die Schule gehen zu müssen. Die Frage ist auch, in welchem Alter ihr ins Berufsleben einsteigen wollt. Außerdem birgt es Konfliktpotenzial, wenn ihr älter und erfahrener seid als euer Ausbilder.

Seid euch auch darüber im Klaren, dass man euch bei Bewerbungen und sonst im Arbeitsleben immer wieder auf eure ungewöhnliche Entscheidung ansprechen wird.

  • Gründe

Für eine Ausbildung nach dem Studium kann es, wie weiter oben bereits geschrieben, gute Gründe geben. Wenn ihr die Ausbildung nur machen wollt, weil ihr keinen Bock habt, richtig zu arbeiten, wäre es die falsche Entscheidung. Auch sollten Frust und Verzweiflung nicht eure Motivation sein. Eine Ausbildung nur als Notlösung zu sehen, weil man keine Festanstellung gefunden hat, lässt sich in Bewerbungsgesprächen schlecht verkaufen.

  •  Alternativen

Eine Ausbildung nach dem Studium kann eine Möglichkeit sein, wenn ihr nicht gleich eine Vollzeitstelle findet oder wenn ihr in dem Bereich, in dem ihr ausgebildet wurdet, nicht glücklich werdet. Habt ihr euch aber auch andere Optionen durch den Kopf gehen lassen? Könnt ihr durch einen Master eure Jobchancen verbessern? Oder wartet eventuell sogar im Ausland der Traumjob auf euch?

  • Ziel

Wenn ihr euch für eine Ausbildung nach dem Studium entscheidet, solltet ihr euch genau überlegen, welches Ziel ihr damit verfolgt. Was ist euer Plan für die Zukunft, wohin führt euch die Ausbildung und welche (Weiterbildungs)-Möglichkeiten stehen euch danach offen? Je besser ihr eure nächsten Karriereschritte plant, desto eher werdet ihr in der Zukunft erfolgreich sein.

Frau mit Bachelor-Hut
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Frau mit Bachelor-Hut

Von wegen Versager: Darum sind Akademiker auf dem Ausbildungsmarkt gefragt

Ihr glaubt, ihr seid in den Augen der anderen Versager, nur weil ihr nach dem Studium nicht euren Traumjob in eurer Wunschbranche gefunden habt? Ihr denkt, Ausbildungsbetriebe halten euch für eine Ausbildung nach dem Studium überqualifiziert. Dann solltet ihr dringend an eurem Selbstbewusstsein arbeiten. Denn Akademiker sind auf dem Ausbildungsmarkt, insbesondere im Handwerk, heiß begehrt. Im Gegensatz zu den ganzen jungen Azubis, die bereits mit 16 Jahren ihre Ausbildung starten, seid ihr in der Regel reifer und habt (hoffentlich) ein klares Ziel vor Augen. Zudem tut ihr euch beim Lernen an der Berufsschule leichter. Neben fachlichem Wissen habt ihr euch an der Uni auch Soft Skills angeeignet: Ihr wisst euch zu organisieren, könnt Zeitpläne erstellen und begegnet neuen Herausforderungen analytisch.

Übrigens: Als Akademiker habt ihr den Vorteil, dass ihr eure Ausbildung verkürzen könnt, wenn ihr bereits entsprechende Kenntnisse aus dem Studium vorzuweisen habt. Und nach der Ausbildung habt ihr immer noch viele Weiterbildungsmöglichkeiten – die Karrieretür steht euch also weiterhin offen.

Fazit

Eine Ausbildung nach dem Studium muss sich nicht negativ auf eure Karrierechancen auswirken. Denn eure Jahre an der Uni kann euch niemand nehmen und haben euch Dinge mitgegeben, die euch bei eurer Suche nach einem Ausbildungsplatz nützlich sind, wie Fleiß, Ausdauer und Organisationsgeschick. Außerdem sind beim derzeitigen Fachkräftemangel im Handwerk und in den technischen Berufen motivierte junge Menschen mit Studienerfahrung willkommener denn je. Seht es ganz nüchtern. Ihr habt einen Schritt zurück gemacht, könnt anschließend aber dennoch drei nach vorne machen.