Vorlesung
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Diskussion über Präsenzpflicht

Anwesenheitspflicht in Vorlesungen?

Anwesenheitspflicht in Vorlesungen – sollen Hochschulen ihre Studenten wirklich kontrollieren dürfen? bigKARRIERE trägt die Argumente beider Seiten zusammen.

Was meint ihr, soll die Hochschule kontrollieren, ob Studenten an Lehrveranstaltungen teilnehmen oder nicht? bigKARRIERE hat sich Argumente beider Seiten zum Thema Anwesenheitspflicht in der Vorlesung angehört.

Anwesenheitspflicht in der Vorlesung: Warum wird die Präsenzpflicht diskutiert?

Die Vorlesung beginnt, die Anwesenheitsliste wird herumgereicht und jeder muss unterschreiben. Wer zwei Mal fehlt, darf nicht zur Prüfung. Sieht so gute Lehre aus? Darüber wird wiedermal kräftig diskutiert. Die Präsenzpflicht, also die Anwesenheitspflicht für Vorlesung und Seminar, ist bundesweit unterschiedlich geregelt. So ist die Präsenzpflicht in einigen Bundesländern (beispielsweise Schleswig-Holstein) größtenteils abgeschafft. Andernorts (etwa in Baden-Württemberg und Berlin) obliegt es den Hochschulen, ob sie die Anwesenheit der Studenten kontrollieren. In Nordrhein-Westfalen war die Anwesenheitspflicht bis vor wenigen Wochen verboten. Nun wurde entschieden, sie wieder zuzulassen. Und die Diskussion ist entflammt.

Streitthema Anwesenheit: Pro und Kontra zur Präsenzpflicht

Befürworter der Anwesenheitspflicht für Vorlesung und Seminare sind überzeugt, dass die Präsenz Vorteile hat. Sie führen an, dass die Hochschule ein Ort für Denkanstöße und Diskussion sei, und die gäbe es nur bei Anwesenheit. Da kaum jemand intrinsisch motiviert sei, müsse man mit einer pauschalen Präsenzpflicht für alle Studenten eben ein bisschen nachhelfen. Zudem würde ein strikter durchorganisiertes Studium den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarktes eher entsprechen als ein Selbstbestimmtes. Gerne zitiert wird eine Metastudie des Bildungsforschers Rolf Schulmeister. Sie basiert auf 298 internationalen Untersuchungen und zeigt, dass schon drei Fehlzeiten zu einem geringeren Lernerfolg führen.

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Die Präsenz-Fans leiten davon ab, dass eine pauschale Anwesenheitspflicht zu besseren Noten und weniger Studienabbrüchen führen würde. Auch unter den Dozenten und Professoren gibt es Befürworter der Präsenzpflicht. Womöglich weil niemand gerne Vorlesung hält, wenn die Veranstaltung schlecht besucht ist.

Gegner der Anwesenheitspflicht argumentieren hingegen mit der Eigenverantwortung von (zumeist) volljährigen Studenten und führen die Studierfreiheit an. Zudem fehle es momentan wegen der Rekordzahl an Studierenden (sagenhafte 2,8 Millionen sind es) an Räumen und Personal. Zwänge man alle in die Vorlesung, wären die Räume übervoll. Auch seien viele Vorlesungen sowieso nur eine monotone Darbietung der Pflichtlektüre, somit könne man sich die Inhalte problemlos im Selbststudium erarbeiten. Außerdem sei die Lernatmosphäre bei erzwungener Anwesenheitspflicht eine ganz andere, als bei freiwilliger Anwesenheit.

In besonderem Maße nachteilig sei die Präsenzpflicht für Studierende, die einen Nebenjob haben, sich sozial beziehungsweise politisch engagieren oder bereits Kinder haben. Weil solche außeruniversitären Verpflichtungen mit Vorlesungszeiten kollidieren, kämen bei diesen Studierenden schnell zwei bis drei Fehlzeiten zustande – und damit sei die Zulassung zur Prüfung futsch. Dadurch steige die Wahrscheinlichkeit, die Regelstudienzeit nicht einhalten zu können, was vor allem in teuren Großstädten zu einem finanziellen Problem werden kann. Und auch Pendler und Erstsemestler, die noch keine Wohnung in der Uni-Stadt gefunden haben und die tägliche Pendelfahrt absolvieren, hätten bei einer Anwesenheitspflicht für Vorlesung und Seminar Nachteile, weil verstärkt im Winter Bahnen ausfielen. Ohne eigenes Verschulden kämen so zwangsläufig Fehlzeiten zustande.

Fazit

Eines ist klar: Die einen lernen tatsächlich besser, wenn sie bei jeder Veranstaltung anwesend sind. Für andere bedeutet eine Anwesenheitspflicht für die Vorlesung hingegen, dass sie die Veranstaltung nur absitzen und den Stoff später selbst durchgehen. Denn wie der Name suggeriert, zur Beteiligung verpflichtet die Präsenzpflicht nicht – nur zur körperlichen Anwesenheit. Wer die Lehre verbessern will, sollte nicht den Weg der Disziplinierung wählen. Da gibt es sinnvollere Maßnahmen. Und mehr noch: Eine pauschale Anwesenheitspflicht schränkt die Autonomie nur einer Gruppe ein – der Präsenz-Gegner. Gelungene Hochschulpolitik sieht anders aus.