Eine Studentin steht mit Büchern in der Hand vor einer vollgeschriebenen Tafel
Andrea Piacquadio / pexels
 
Eine Studentin steht mit Büchern in der Hand vor einer vollgeschriebenen Tafel

Studium leichtgemacht? Noteninflation sei dank

Es spricht sich rum, dass das Studium immer leichter wird – doch stimmt das wirklich? Wir sind der Noteninflation im Studium auf den Grund gegangen.

Ist euch aufgefallen, dass alle um euch herum eine Eins vorm Komma haben – auch die, die es nicht unbedingt verdienen? Euer Gefühl täuscht nicht – tatsächlich sind Uni-Noten über die Jahre immer besser geworden. bigKARRIERE beleuchtet die Gründe und Folgen der Noteninflation an den Hochschulen.

Noteninflation im Studium: Was bedeutet das genau?

Gefühlt sind in einigen Studiengängen gute Noten inzwischen Standard. Das Gros der Studentenschaft schließt das Studium praktisch nur mit Einsen und Zweien ab. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, belegen inzwischen mehrere Untersuchungen.

So hatte der Wissenschaftsrat der Bundesregierung festgestellt, dass es zwischen 2000 und 2011 einen neunprozentigen Anstieg der Noten "gut" und "sehr gut" gab. Nun haben Flensburger Forscher die Notenblase genauer geprüft. Nach Auswertung von rund 700 000 Examensnoten und 138 000 Prüfungsakten aus den Jahren 1960 bis 1996, gut 5,3 Millionen Daten aus der offiziellen Notenstatistik und Gruppendiskussionen mit Prüfern, war ein klarer Trend erkennbar: Die Noteninflation im Studium hat in den 1970er Jahren begonnen, ab da sind die Uni-Abschlussnoten immer besser geworden.

Auch bei der Doktorarbeit werden Prädikatsnoten immer häufiger vergeben – das prestigeträchtige "Summa cum laude" ist keine Seltenheit mehr. Bildungsexperten kritisieren diesen inflationären Gebrauch der Bestnoten.

Noteninflation im Studium: Gründe und besonders betroffene Fächer

Im Fokus der Flensburger Langzeituntersuchung standen ausgewählte Fächer, darunter Biologie, Chemie, Germanistik, Jura, Maschinenbau, Mathematik, Psychologie und andere. Eine Noteninflation im Studium zeigt sich vor allem bei den Fächern Biologie und Psychologie, dort verlässt die Hälfte der Absolventen die Uni mit der Abschlussnote "sehr gut". Die Gründe dafür können vielfältig sein. So lässt sich aus den Daten etwa ablesen, dass private Hochschulen durchschnittlich besser benoten als staatliche Einrichtungen.

Auch lokale Faktoren wie die Konjunkturlage wirken sich auf die Notenvergabe aus. Und schließlich sind sogar Alter und Geschlecht der Professoren nicht unwichtig. Je älter der Prof, desto milder die Noten. Dadurch kommt es bei der Benotung in einem Fach zu großen Unterschieden von Uni zu Uni.

Alumni einer Universität werfen ihre Absolventenkappe in die Luft
Pixabay / pexels
Alumni einer Universität werfen ihre Absolventenkappe in die Luft

Einsen für alle – ist doch geil, oder?

Noch nie haben so viele Absolventen die Hochschulen mit so guten Abschlussnoten verlassen. Den Einzelnen mag die gute Examensnote im ersten Augenblick freuen, bei genauer Betrachtung ist die Noteninflation im Studium jedoch für alle nachteilig. Denn die fehlende Differenzierung wertet Noten insgesamt ab. Wenn Abschlussnoten die relative Stellung in einer bestimmten Kohorte nicht mehr adäquat abbilden, verlieren sie gesamtgesellschaftlich an Bedeutung. Direkten Einfluss hat das auf die Zulassung zum Master. Wer erhält einen der begehrten Master-Plätze, wenn alle Kandidaten gute Noten haben?

Auch Arbeitgeber haben es durch die Noteninflation im Studium schwerer, was die Einschätzung der Bewerber angeht. Sie sehen sich zunehmend gezwungen, eigene Aufnahmetests durchzuführen, um die besten Talente herauszufiltern. Positiv abgrenzen können sich Bewerber durch ihre guten Noten nicht mehr. Dafür braucht es zusätzliches Engagement – Auslandaufenthalte, Fremdsprachen, Zertifikate. Durch diese Differenzierungsverlagerung entsteht zusätzlicher Druck, mehr Außeruniversitäres neben dem Studium unterzubringen.

Und noch einen Nachteil hat die Noteninflation: Wenn gute Noten zu leicht zu haben sind und die Mehrheit der Studenten gut benotet wird, kann die Motivation der Studierenden sinken. Denn Noten sind eine extrinsische Motivationsquelle. Wer wenig intrinsische Motivation besitzt und äußere Reize zur Motivationssteigerung braucht, gerät durch die Noteninflation im Studium schneller ins Straucheln.

Fazit

Durch eine große Notenblase werden alle zum Durchschnitt. Wer einen Master dranhängen oder Karriere machen will, muss mehr vorweisen als nur gute Noten. Als Gegenmittel fordern die Forscher mehr Transparenz, sie würde für mehr Gerechtigkeit bei der Notenverteilung sorgen. Ihre Idee: Bundesweite Durchschnittsnoten der einzelnen Fächer von offizieller Stelle regelmäßig veröffentlichen. Ob dieser Vorschlag in Zukunft umgesetzt wird, steht jedoch in den Sternen.