25-Stunden-Woche bei vollem Gehalt - wie ist das möglich?
Weniger arbeiten, mehr Freizeit
Fünf Stunden arbeiten, dann Feierabend. Klingt das für euch wie ein Traum?
Weniger arbeiten, mehr Freizeit
Fünf Stunden arbeiten, dann Feierabend. Klingt das für euch wie ein Traum?
In einer Bielefelder Agentur ist es Wirklichkeit, denn sie hat als erste Firma in Deutschland die 25-Stunden-Woche eingeführt. bigKARRIERE stellt euch das alternative Arbeitszeitmodell genauer vor!
Die 25-Stunden-Woche bedeutet weniger Arbeit und mehr Leben. Und das bei vollem Gehalt und gleichem Urlaubsanspruch. Gearbeitet wird weiterhin an fünf Tagen in der Woche. Allerdings sind die Arbeitstage um satte drei Stunden kürzer, sie dauern lediglich von acht bis 13 Uhr. Danach haben die Angestellten Feierabend. Überstunden gibt es keine. Klingt verlockend? Damit das Arbeitspensum trotzdem geschafft wird, darf in der einzigen deutschen Firma mit Arbeitszeitverkürzung nicht getrödelt werden. Längere Pausen, Schwätzchen mit den Kollegen oder private Telefonate sind seit Einführung der kürzeren Arbeitszeiten nicht gerne gesehen. Die Idee für das neue Arbeitszeitmodell stammt übrigens aus Skandinavien. Vor allem in Schweden wird das Fünf-Stunden-Tag-Modell praktiziert. Aber auch in den Niederlanden und den USA sind verkürzte Arbeitszeiten bei voller Bezahlung üblich.
Als erste deutsche Firma testet seit Oktober 2017 die "Rheingans Digital Enabler" die 25-Stunden-Woche. Ende Februar 2018 will der Chef Lasse Rheingans entscheiden, ob seine Agentur dauerhaft dabei bleibt. Eingeführt hat Rheingans die verkürzte Arbeitszeit ursprünglich deshalb, weil es im normalen Büroalltag viel zu viel vertrödelte Zeit gibt. Konzentriert arbeiten kann man eben nicht acht Stunden am Tag. Rheingans war sich sicher, dass mit guter Planung und effizienter Arbeitsweise in fünf Stunden genauso viel geschafft werden kann wie in acht Stunden. Warum also nicht den Versuch wagen und die Angestellten früher gehen lassen? Die zusätzliche Freizeit soll helfen, Stress abzubauen, Fehler zu reduzieren und die Motivation zu erhöhen, erklärt Rheingans. Zudem könnte mehr Freizeit für kreative Ideen sorgen, die der Firma Wettbewerbsvorteile bescheren. Bisher haben seine Angestellten das erwartete Arbeitspensum trotz kürzerer Arbeitszeit geschafft und finden die neuen Arbeitszeiten toll. Dank der kürzeren Arbeitstage haben sie jetzt mehr Zeit für Familie, Sport und Weiterbildungen. Bislang hat die Agentur alle Aufträge fristgerecht erledigt und auch Rheingans Kunden sind zufrieden. Sollte es mal einen Notfall nach Feierabend geben, gibt es ein Alarmhandy.
Blickt man in Richtung der skandinavischen Länder war nicht jede getestete Arbeitszeitverkürzung langfristig tragbar. Einige Versuche scheiterten an den Kosten. Das liegt allerdings an der Art der Unternehmen. Schweden hat den verkürzten Arbeitstag vor allem in Altenheimen, Kindertagesstätten und Krankenhäusern getestet, um Jobs im Bildungs- und Gesundheitsbereich attraktiver zu machen. Allesamt haben lange Öffnungszeiten und regen Publikumsverkehr. Ohne Schichtdienst hätte das nicht funktioniert. Dadurch stiegen allerdings die Kosten. Rheingans mittelständische Agentur ist das komplette Gegenteil, regelmäßigen Kundenverkehr gibt es dort nicht. Auch die Aufträge sind besser planbar und sein Team muss für Kunden nicht permanent erreichbar sein. Eine Kostenexplosion fand in der Agentur deshalb nicht statt. Aber ganz reibungslos lief das Bielefelder Experiment auch nicht. Weil nicht immer jeder seine Arbeit binnen fünf Stunden schafft, stieg der Bedarf nach Feedback-Gesprächen. Deshalb wird zusätzlich einmal die Woche konferiert: Was ist diese Woche liegen geblieben? Wer kann was übernehmen? Bisher reicht das der Bielefelder Agentur.
Studien zeigen immer wieder, dass die Generationen Y und Z die sogenannte Work-Life-Balance viel mehr schätzen als ältere Jahrgänge. In Zeiten von Fachkräftemangel ist es für Unternehmen besonders wichtig gute, junge Arbeitskräfte an sich zu binden, etwa durch Arbeitszeitverkürzung. Kürzere Arbeitstage fördern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, steigern die Zufriedenheit bei den Beschäftigten und beugen Burn-out und ähnlichen Erkrankungen vor. Darüber hinaus ist die 25-Stunden-Woche ein interessantes Instrument im Umgang mit der Digitalisierung. Denn wenn zunehmend Maschinen Jobs übernehmen, sollte die Arbeitswelt verstärkt zugunsten von menschlichen Beschäftigten gestaltet werden.