Studentenverbindungen in Deutschland
Aus der Zeit gefallen oder ideale Networking-Möglichkeit? Wie das Leben in Studentenverbindungen wirklich aussieht, erfährst du hier.
Aus der Zeit gefallen oder ideale Networking-Möglichkeit? Wie das Leben in Studentenverbindungen wirklich aussieht, erfährst du hier.
Hinter dem Wort „Studentenverbindung“ verbergen sich mehrere unterschiedliche Verbände: Burschenschaften, Corps, Sängerbünde und Turnerschaften. Und längst gibt es auch reine Damenverbindungen sowie gemischte Studentenverbindungen in Deutschland. Die etwa 1000 unterschiedlichen Bünde können farbentragend, farbenführend, schlagend oder nicht schlagend sein.
Mitglieder farbentragender Verbindungen tragen bei besonderen Anlässen die Farben ihrer Verbindung (Couleur) in Form von Schärpe und Studentenmütze. Schlagende Verbindungen fechten regelmäßig mit scharfen Waffen (Mensur). Das Risiko für Verletzungen soll das Gemeinschaftsgefühl zusätzlich stärken, argumentieren die Verbindungsleute.
Studentenverbindung ist eben nicht gleich Studentenverbindung. Was alle eint, ist die Aufrechterhaltung alter Traditionen und das Ziel, lebenslange Freundschaften und Netzwerke zu etablieren. Die meisten Studentenverbindungen in Deutschland hegen ein relativ konservatives Weltbild, vom Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ hört man indes immer wieder rechtsradikale Töne. Die meisten anderen Verbindungen distanzieren sich aber ganz klar von rechten Tendenzen.
Der Wunsch, in eine Studentenverbindung einzutreten, wird traditionell bei einer Zusammenkunft auf einen Bierdeckel geschrieben. Über diesen formlosen Antrag entscheiden dann die Mitglieder der Verbindung bei der nächsten Versammlung (Convent). Eine positive Entscheidung mündet in einer kleinen Aufnahmezeremonie, die die Ernsthaftigkeit unterstreichen soll. Auf die Aufnahme folgt eine meist einjährige Probezeit (Fuchsenzeit), in der du als „Fuchs“ kein Stimmrecht besitzt und dich erst beweisen musst. Merkt man während der Fuchsenzeit, dass das Verbindungsleben doch nicht das Wahre ist, ist ein formloser Austritt möglich. Geht hingegen alles glatt, wirst du als vollwertiges Mitglied auf Lebenszeit in die Studentenverbindung aufgenommen und erhältst volles Stimmrecht.
Als aktives Mitglied hast du einige Pflichten. Dazu gehört es, die Studentenverbindung adäquat zu repräsentieren, dich aktiv am Gemeinschaftsleben zu beteiligen, Ämter zu übernehmen und dich um jüngere Verbindungskolleg:innen zu kümmern. Passivität ist bei Studentenverbindungen in Deutschland verpönt. So wird etwa erwartet, dass jedes Mitglied sich zu jedem Thema eine Meinung bildet und diese auch argumentativ vertreten kann. Bei wichtigen Convent-Abstimmungen stimmen erst die jüngeren Mitglieder ab, um sich nicht von den Älteren beeinflussen zu lassen. Enthaltungen sind tabu.
Rückt der Uniabschluss näher, darfst du meist einen inaktiven Status annehmen, um dich voll auf das Studium konzentrieren zu können. Nach erfolgreichem Uniabschluss scheidest du dann aus dem aktiven Verbindungsleben aus und wirst zum Alten Herren. Alte Herren zahlen Mitgliedsbeiträge, die zur Unterstützung der neuen Generation dienen, nehmen an offiziellen Veranstaltungen teil und helfen dem Nachwuchs mit Ratschlägen. Ein Austritt aus der Studentenverbindung ist zwar jederzeit möglich, gilt aber nicht als besonders ehrenhaft.
Studentenverbindungen haben immer wieder mit einem schlechten Ruf zu kämpfen, der zum Teil auf die konservative Ausrichtung und den übermäßigen Alkoholkonsum innerhalb vieler Verbindungen zurückzuführen ist. Besonders die Burschenschaften, die unter dem Dachverband der „Deutschen Burschenschaft“ organisiert sind, wurden in der Vergangenheit immer wieder mit rechtsradikalen Tendenzen und nationalistischen Ideologien in Verbindung gebracht. Obwohl sich viele Verbindungen heute ausdrücklich von rechten Strömungen distanzieren, bleibt der negative Beigeschmack bestehen.
Hinzu kommt, dass Alkohol in vielen Verbindungen eine zentrale Rolle spielt. Ritualisierte Trinkgewohnheiten, wie das berüchtigte „Presssaufen“, tragen zur Wahrnehmung bei, dass Studentenverbindungen eher als Ort für Exzesse und eine unkritische, machohafte Männlichkeit fungieren. Diese Traditionen und das feierfreudige Image führen dazu, dass viele Menschen Verbindungen als rückständig oder problematisch wahrnehmen, obwohl es auch viele Verbindungen gibt, die sich modernisieren und sich von alten, umstrittenen Praktiken distanzieren.
Die Zukunft der Studentenverbindungen steht derzeit auf der Kippe, da viele von ihnen vor der Herausforderung stehen, sich an die modernen gesellschaftlichen Normen und Erwartungen anzupassen. Ein immer größerer gesellschaftlicher Druck verlangt nach mehr Inklusion, Diversität und einer Offenheit gegenüber verschiedenen politischen Strömungen. Besonders der Wunsch nach Öffnung der Verbindungen für Frauen wird zunehmend laut. Viele traditionelle Verbindungen, die bislang nur Männer aufnehmen, halten an ihrem exklusiven, oft als antiquiert empfundenen System fest, während andere Verbindungen – besonders in Großstädten – den Schritt hin zu gemischten oder rein weiblichen Verbindungen gewagt haben.
Die Ablehnung einer Öffnung für Frauen, die teilweise im Argument des „Erhalts der Tradition“ begründet wird, stößt jedoch auf immer mehr Widerstand. Dies könnte zu einem Wandel im Verbindungswesen führen, wenn die älteren Mitglieder, die oft noch finanziell und ideologisch stark an die traditionelle Struktur gebunden sind, durch jüngere, weltoffene Generationen ersetzt werden. Die kommenden Jahre könnten daher entscheidend sein für die Zukunft von Studentenverbindungen, da sie sich entscheiden müssen, ob sie sich modernisieren oder in ihrer traditionellen Form weiterbestehen wollen.
So richtig viele Studierende lassen sich für Studentenverbindungen in Deutschland nicht begeistern, schätzungsweise ein bis drei Prozent sind tatsächlich Mitglied in einer Verbindung. Das Verbindungsleben bringt einige Vorteile. Weil du aber auch zahlreichen Verpflichtungen nachkommen musst, solltest du dir die Studentenverbindung genau anschauen und gut über eine Mitgliedschaft nachdenken, um das Beste aus deiner Studienzeit zu holen.