Mann mit Brille
photocase_simonthon.com
Mann mit Brille
Chance statt Rückschritt

Ausbildung nach dem Studium

Nach dem Studium eine Ausbildung machen? Wie bitte? Was zunächst widersinnig klingt, kann für manche Uni-Absolventen eine echte Karrierechance darstellen.

Macht ein Studium, dann gehört dir die Welt?

Früher hast du vielleicht von deinen Eltern oder Berufsberater:innen oft gehört: Macht ein Studium, dann gehört dir die Welt. Heute drängen aber zu viele Abiturient:innen an die Unis und Hochschulen. Doch nicht alle sind wirklich für eine wissenschaftliche Ausbildung geeignet: Für manche sind die Anforderungen an der Uni schlicht zu hoch, für andere fehlt der Praxisbezug im Studium. Wenn du dein Studium mit Ach und Krach abgeschlossen hast, kommst du vielleicht ins Grübeln und fragst dich: Nach dem Studium noch eine Ausbildung machen – lohnt sich das überhaupt?

Der veränderte Arbeitsmarkt

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Zahl der jungen Menschen, die ein Studium beginnen, fast verdoppelt. Mehr Akademiker:innen auf dem Arbeitsmarkt bedeutet aber auch einen härteren Kampf um die besten Jobs für Uni-Absolvent:innen. Gleichzeitig hat sich der Arbeitsmarkt gewandelt: Flexibilität und Vielseitigkeit sind heute wichtiger denn je. Gerade Absolvent:innen der theorielastigen Geisteswissenschaften müssen immer mehr Umwege gehen, Weiterbildungen machen oder sich komplett umorientieren, um sich beruflich zu behaupten. Dazu kann auch die Entscheidung gehören, nach dem Studium eine Ausbildung zu machen.

Finanzielle und soziale Hürden

Finanziell ist eine späte Ausbildung nach dem Studium sicherlich zunächst ein Rückschritt. Statt eines durchschnittlichen Gehalts von 3.400 Euro brutto im Monat, bekommst du als Azubi im ersten Lehrjahr oft nur knapp 700 Euro. Während du dich im Studium vielleicht noch mit Bafög und Nebenjobs über Wasser halten konntest, ist das mit dem schmalen Lehrlingsgehalt meist nicht mehr möglich.

Noch schlimmer als die finanziellen Einbußen ist für viele die Angst vor einem „Statusverlust“. Ein Studium genießt nach wie vor hohes Ansehen in Deutschland. Vielleicht würdest du deine Entscheidung gern vor Freund:innen und Bekannten geheim halten, um nicht als „Versager:in“ dazustehen. Sätze wie: „Dann war ja alles umsonst“ oder „Das hättest du auch schon vor sieben Jahren haben können“ bekommt man dann schnell mal aus dem näheren Umfeld zu hören.

Gute Gründe für eine Ausbildung nach dem Studium

Auf den ersten Blick mag es widersinnig erscheinen: Du gehst jahrelang zur Uni, bekommst deinen Bachelor oder Master und startest dann praktisch noch einmal ganz von vorne. Für manche Uni-Absolvent:innen kann es aber durchaus sinnvoll sein, nach dem Hochschulabschluss eine Ausbildung zu beginnen.

Wenn du ein Studium beginnst, hast du meist noch keine richtige Vorstellung von dem, was dich im Unialltag erwartet. Entspricht das Studium nicht deinen Erwartungen, bleiben dir nur zwei Möglichkeiten: Entweder du ziehst es durch oder du brichst ab und orientierst dich neu. Hast du dich bis zum Bachelor oder Master durchgebissen, solltest du dich fragen: Willst du wirklich viele Jahre in einem Beruf arbeiten, der dich nicht glücklich macht? Oder drückst du lieber die Reset-Taste und startest eine Ausbildung in einem ganz neuen Bereich?

Schlechte Jobaussichten

Du kennst sicher auch den:die eine:n oder andere:n im Freundes- oder Bekanntenkreis, die Archäologie oder Geschichte studiert haben und bei denen die Jobaussichten schon zu Studienbeginn nicht rosig waren. Vielleicht hast du das Studium aus Interesse durchgezogen, aber trotz Bewerbungen auf die wenigen vorhandenen Stellen keinen Vollzeit-Job bekommen. Der einzige Ausweg: Sich nach dem abgeschlossenen Studium um eine Lehrstelle bemühen.

Mangelnde Praxiserfahrung

Auch wenn viele Studiengänge häufig als praxisnah angepriesen werden, sind sie doch oft sehr theorielastig. Praxis bekommst du meist nur durch Praktika. Besonders, wenn du zum Beispiel etwas aus dem Bereich der Kulturwissenschaften studiert hast, hast du schlechte Karten: Selbst mit abgeschlossenem Master-Studium qualifiziert dich dein Wissen selten für etwas Konkretes. Es mag hart klingen, aber für eine erfolgreiche Karriere zählt heute vor allem Praxiserfahrung. Mit einer Ausbildung nach dem Studium kannst du dein theoretisch erworbenes Wissen endlich praktisch anwenden.

Einen Beruf nach der Uni lernen? Nur nichts überhasten

<h2>Einen Beruf nach der Uni lernen? Nur nichts überhasten</h2>

Eine falsche Entscheidung muss nicht das Ende deiner beruflichen Träume bedeuten. Wenn du vor der Frage stehst, ob du nach der Uni noch einen Beruf erlernen solltest, lautet der wichtigste Rat: Nichts überstürzen! Denn eine unüberlegte Entscheidung kann deinen weiteren beruflichen Werdegang nachhaltig beeinflussen. Ob eine Ausbildung nach dem Studium sinnvoll ist, hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Alter

Für eine Ausbildung nach dem Studium musst du noch einmal zwei bis drei Jahre einplanen. Nach Jahren eigenverantwortlichen Lernens kann es belastend sein, mit Mitte oder Ende 20 wieder die Schulbank zu drücken. Überlege dir gut, in welchem Alter du ins Berufsleben einsteigen möchtest. Außerdem kann es Konfliktpotenzial geben, wenn du älter und erfahrener bist als dein:e Ausbilder:in.

Sei dir auch bewusst, dass du im Bewerbungsprozess und im Arbeitsalltag immer wieder auf deine ungewöhnliche Entscheidung angesprochen wirst.

  • Gründe

Für eine Ausbildung nach dem Studium gibt es, wie weiter oben beschrieben, gute Gründe. Wenn du die Ausbildung nur machen willst, weil du gerade keine Lust auf „richtiges“ Arbeiten hast, ist das nicht der richtige Weg. Frust und Verzweiflung sollten ebenfalls nicht die Motivation sein. Eine Ausbildung nur aus Mangel an Alternativen oder aus Verzweiflung wirkt sich in Bewerbungsgesprächen oft negativ aus.

  • Ziel

Wenn du dich für eine Ausbildung nach dem Studium entscheidest, solltest du genau überlegen, welches Ziel du damit verfolgst. Was ist dein Plan für die Zukunft? Wohin führt dich die Ausbildung und welche (Weiterbildungs-)Möglichkeiten stehen danach offen? Je besser du deine nächsten Karriereschritte planst, desto größer sind die Erfolgschancen.

Alternativen zur Ausbildung nach dem Studium

Eine klassische Ausbildung ist aber nicht der einzige Weg, wenn du nach mehr Praxis oder einer neuen beruflichen Richtung suchst. Es gibt zahlreiche Alternativen, die je nach deiner persönlichen Situation, Interessen und beruflichen Zielen sinnvoll sind. Dazu gehören duale Masterstudiengänge oder Trainee-Programme in Unternehmen, die speziell für Akademiker:innen entwickelt wurden und dir den Berufseinstieg durch die Kombination aus Theorie und Praxis erleichtern.

Ein dualer Master ermöglicht es dir, ein weiterführendes Studium mit umfassender Praxiserfahrung im Unternehmen zu kombinieren – ideal, wenn du dich spezialisieren und parallel relevante Berufserfahrungen sammeln möchtest. Auch berufsbegleitende Weiterbildungen oder Zertifikatslehrgänge können helfen, fehlende praktische Fähigkeiten gezielt zu erwerben.

Wenn du dich selbstständig machen möchtest, bieten Gründerstipendien und Existenzgründer:innenseminare wertvolle Unterstützung beim Start ins eigene Business. Ein Freiwilligendienst im In- oder Ausland eröffnet dir weitere Möglichkeiten, Praxiserfahrung zu sammeln und deinen Horizont zu erweitern. Reflektiere deine Interessen und langfristigen Ziele, um herauszufinden, welcher Weg am besten zu dir passt!

Frau mit Bachelor-Hut
photocase_femmecurieuse
Frau mit Bachelor-Hut

Von wegen Versager: Darum sind Akademiker auf dem Ausbildungsmarkt gefragt

Glaubst du, in den Augen der anderen eine:r Versager:in zu sein, nur weil du nach dem Studium nicht sofort den Traumjob in deiner Wunschbranche gefunden hast? Oder meinst du, Ausbildungsbetriebe könnten dich für eine Ausbildung nach dem Studium für überqualifiziert halten? Dann solltest du unbedingt an deinem Selbstbewusstsein arbeiten! Akademiker:innen sind auf dem Ausbildungsmarkt – insbesondere im Handwerk – heiß begehrt. Im Vergleich zu den ganz jungen Azubis, die oft schon mit 16 Jahren starten, bist du meist reifer und hast (hoffentlich) ein klares Ziel vor Augen.

Bei der Berufsschule tust du dich durch deine Erfahrung leichter und hast dir an der Uni viele Soft Skills angeeignet: Du kannst dich organisieren, Zeitpläne erstellen und Herausforderungen analytisch begegnen.

Übrigens: Als Akademiker:in kannst du unter Umständen deine Ausbildung verkürzen, wenn du schon entsprechende Kenntnisse mitbringst. Und auch nach der Ausbildung stehen dir zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten offen – deine Karriere ist also noch lange nicht am Ende!

Drei Schritte nach vorn – warum eine späte Ausbildung kein Nachteil ist

Eine Ausbildung nach dem Studium muss sich nicht negativ auf deine Karrierechancen auswirken. Deine Jahre an der Uni können dir niemand nehmen – und die Eigenschaften, die du dort erworben hast (Fleiß, Ausdauer, Organisationsgeschick), helfen dir oft auch in der Ausbildung. Beim aktuellen Fachkräftemangel sind motivierte Hochschulabsolvent:innen im Handwerk und in technischen Berufen gefragter denn je. Nimm es sportlich: Manchmal machst du einen Schritt zurück, um danach drei nach vorne zu gehen!