High Five
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High Five
Ihr wollt ganz nach oben?

Habitus – eure Herkunft entscheidet über eure Zukunft

Habitus – wenn Leistung, gute Noten und Engagement nicht ausreichen, um ganz nach oben zu kommen, müsst ihr wahrscheinlich an eurem Auftreten arbeiten.

Ihr wollt ganz nach oben und glaubt, dass ihr euch dafür einfach nur richtig anstrengen müsst? Ihr müsst im Studium Bestleistungen erzielen, Zusatzqualifikationen erwerben, im Ausland gearbeitet und alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben haben, dann geht es automatisch aufwärts an der Karriereleiter? Die Beförderung winkt euch nicht automatisch, nur weil ihr gut in dem seid was ihr tut. Das mag auf den ersten Blick verwundern. In der Soziologie geht man davon aus, dass für den sozialen Aufstieg auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Hier kommt der Habitus ins Spiel. Euer Auftreten entscheidet maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg im Leben. Doch was genau hat es mit Habitus auf sich und wie schafft man es nach oben?

Habitus – was soll das eigentlich sein?

Der Begriff "Habitus" stammt aus der Soziologie. Geprägt wurde er durch Norbert Elias und Pierre Bourdieu. Bei Norbert Elias stand der Begriff vor allem für die Gewohnheiten des Handelns, Denkens und Fühlens, die Menschen einer Gruppe gemeinsam haben. Bei Pierre Bourdieu steht Habitus für das gesamte Auftreten eines Menschen. Eingeschlossen sind daher auch Geschmack, Kleidung, Sprache und Lebensstil einer Person. Anhand dieser Merkmale lässt sich ablesen, zu welcher Gesellschaftsschicht eine Person gehört. Den Habitus soll man daher auch dann erkennen, wenn ein Mensch den sozialen Aufstieg geschafft hat oder abgestiegen ist. Vielleicht habt ihr euch auch schon einmal gefragt, warum ihr euch in manch einer Umgebung besonders gut zurechtfindet, während ihr euch in bestimmter Gesellschaft einfach fehl am Platz fühlt? Der Habitus könnte der Grund dafür sein. Befindet ihr euch in Gesellschaft von Menschen, deren Verhalten, Aussehen und Auftreten eurem eigenen entsprechen, fühlt ihr euch sehr wahrscheinlich wohl. Alles kommt euch vertraut vor. Anders verhält es sich, wenn euch alles fremd erscheint. Die Menschen unterscheiden sich in Sprache, Auftreten, Kleidung und Verhalten deutlich von euch und ihr fühlt euch unwohl. Manch einer fühlt sich auf dem Schützenfest zu Hause, andere kennen sich mit Galaabenden aus. Ihr macht von klein auf bestimmte Erfahrungen und diese verhelfen euch, euch im Kontext entsprechend zu verhalten. Umgekehrt werdet ihr von den anderen als zugehörig erkannt, wenn ihr den gleichen Habitus habt. Wenn ihr gesellschaftlich aufsteigen wollt, kann es daher sinnvoll sein, den Habitus der Kreise zu kennen, zu denen ihr Zugang erhalten möchtet.
 

Erfolg
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Erfolg

Stallgeruch – die Herkunft spielt eine wichtige Rolle

Umgangssprachlich ist auch von einem "Stallgeruch" die Rede, wenn es darum geht zu beschreiben, dass Menschen aus bestimmten Kreisen eher unter sich bleiben. Wer einen gewissen "Stallgeruch" hat, wird umgehend als zugehörig erkannt. Habitus lässt sich auch mit Stallgeruch gleichsetzen. Der aus dem Lateinischen stammende Begriff kann mit Gehabe, äußeres Erscheinungsbild oder persönlicher Eigenschaft übersetzt werden. Das Verb "habere" stammt ebenfalls aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie haben oder an sich tragen. Allerdings ist es mit der Beschreibung des Begriffs "Habitus" nicht ganz so einfach. Viele Aspekte beziehungsweise Verhaltensweisen machen den Habitus aus. Jeder Mensch wächst in einem bestimmten Umfeld auf. Dadurch wird er geprägt. Pierre Bourdieu verwendet den Begriff für alles, was ein Mensch ausdrückt. Auch Geschmack, Lebensstil, Einrichtungsstil und die Art wie jemand spricht gehören dazu. Mit Habitus wird unter anderem Folgendes in Verbindung gebracht:

  • Auftreten
  • Erscheinungsbild
  • Art
  • Aussehen
  • Haltung
  • Umgangsformen
  • Attitüde
  • Äußeres
  • Gebaren
  • Gebärde
  • Konstitution
  • Haltung
  • Wuchs
  • Statur

Pierre Bourdieu geht in seinem Buch "Die feinen Unterschiede" davon aus, dass der Mensch kaum Einfluss auf sein Handeln hat. Geschmack und Lebensstil sind laut diesem Buch kein Ausdruck der individuellen Persönlichkeit, sondern werden durch das soziale Umfeld des Handelnden bestimmt.

Wenn also jemand von klein auf mit Galaabenden aufwächst und die dort geltenden Verhaltensweisen erlernt, besucht er solche Veranstaltungen mit einem gewissen Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit. Jeder andere kann sich zwar mit Benimmregeln beschäftigen und lernen, wann welches Besteck zu verwenden ist, aber er wird – zumindest in den Zeiten des Übens – nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit auftreten. Wer solche Benimmregeln in der Kindheit erlernt hat, kann diese quasi im Schlaf abrufen und hat ein gewisses soziales Kapital erworben. Alle anderen müssen sich bewusst anstrengen und erreichen zumeist nicht die gleiche Souveränität. Am Auftreten und Verhalten einer Person lässt sich somit die soziale Stellung ablesen. Idealerweise kommt man also aus gutem Hause und erwirbt den entsprechenden Habitus im Laufe seines Lebens.

Lachen
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Sozialer Aufstieg – ganz oben bleibt man gerne unter sich

Egal wie viel ihr schuftet, nach oben hin wird die Luft dünn und die Elite bleibt gerne unter sich. Studien aus der Eliteforschung haben ergeben, dass Souveränität wesentlich wichtiger ist als Leistung. Souveränität bedeutet, dass ihr euch unter Kontrolle habt, stets angemessen auftretet, Mut und ein breites Allgemeinwissen habt. Souveränität soll laut einiger Studien aus der Eliteforschung der ausschlaggebende Faktor sein, warum manche stets an der Karriereleiter nach oben klettern, während andere sich verzweifelt an den unteren Stufen festklammern. Das Blöde an der ganzen Sache: Ihr könnt Souveränität nicht lernen. Es wird dem Kind quasi in die Wiege gelegt. Das bedeutet, wer aus gutem Hause kommt und mit dem entsprechenden Habitus aufgewachsen ist, hat bessere Chancen in die Führungsebene vorzudringen als jemand mit erstklassigen Examensnoten und Promotion. An der Spitze ist man gerne unter sich und so tummeln sich ganz oben bereits die Kinder von Professoren, Managern und Vorstandschefs. Ähnlich sieht es unter Studenten aus. Wer in eine Akademikerfamilie hineingeboren wird, hat wesentlich bessere Chancen später selbst zu studieren als Kinder aus Arbeiterfamilien. Hinzukommt, dass sich die oberen Schichten gerne abgrenzen. Man nennt dies in der Soziologie auch Distinktion. Distinktion bedeutet, dass sich die Oberschicht um extra feine Sitten bemüht, um es Aufsteigern besonders schwer zu machen.

Aufsteigen – so könnt ihr es schaffen

Ganz oben ist nur wenig Platz für Aufsteiger, aber es ist nicht unmöglich. Allerdings ist das berufliche Vorankommen oftmals mit vielen Herausforderungen verbunden. Wenn ihr beruflich und sozial aufsteigen möchtet, müsst ihr an euch arbeiten. Vielleicht unterstützen eure Eltern euch nicht in diesem Wunsch. Vielleicht kommt ihr aus einer sogenannten Arbeiterfamilie und es ist bei euch einfach nicht üblich zu studieren. Äußert ihr den Wunsch zu studieren, können euch eure Eltern möglicherweise weder finanziell noch mit Tipps zum Studium beistehen. In solchen Fällen ist es hilfreich, wenn ihr euch anderweitig um Unterstützung bemüht. Eine hilfreiche Stütze kann ein sogenannter Mentor sein. Ihr sucht euch eine Person, die sich bereits in den Kreisen bewegt, zu denen ihr Zugang erhalten möchtet, und orientiert euch an dieser. Eine Person aus einer höheren Schicht kann ein Wegbereiter sein. Ihr profitiert von Tipps und Feedback und könnt euch Motivation holen. Dadurch könnt ihr nicht nur erfolgreicher werden, sondern auch euren sozialen Status verändern. Ihr könnt euch die Verhaltensmuster der oberen Schichten ganz nebenbei aneignen, indem ihr euren Mentor beobachtet. Wichtig ist, dass ihr bei eurem Ziel, sozial aufzusteigen, stets flexibel bleibt, Chancen ergreift und euch nicht von Kleinigkeiten aus der Bahn werfen lasst. 

Fazit

Wenn ihr ganz nach oben wollt, müsst ihr euch nicht nur mit den dafür notwendigen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen beschäftigen, ihr müsst euch auch den dafür notwendigen Habitus zulegen. Ihr wollt in die Führungsebene eines großen Unternehmens vordringen? Dann macht euch mit dem Auftreten und Verhalten der Menschen vertraut, die diese Ebene bereits erreicht haben. Glück habt ihr, wenn ihr die jeweils erforderlichen Verhaltensweisen bereits in die Wiege gelegt bekommen habt. Ihr könnt euer soziales Kapital verbessern, indem ihr euch einen Mentor sucht und bewusst an eurem Auftreten arbeitet.