Zahlreiche Gründe zur Prüfungsanfechtung
Ihr geht mit einem gutem Gefühl aus der Prüfung. Bei der Notenvergabe kommt die große Überraschung, denn ihr habt schlecht abgeschnitten. Doch was tun?
Ihr geht mit einem gutem Gefühl aus der Prüfung. Bei der Notenvergabe kommt die große Überraschung, denn ihr habt schlecht abgeschnitten. Doch was tun?
Du gehst mit einem tollen Gefühl aus der Prüfung und bist überzeugt, dass deine Leistung richtig gut war. Nach Gesprächen mit deinen Kommiliton:innen bist du sicher: Für diese Prüfung kann es eigentlich nur eine gute Note geben! Doch dann – nach ein paar Wochen – die pure Ernüchterung: Bei der Notenvergabe erlebst du eine böse Überraschung, denn du hast schlecht abgeschnitten oder bist sogar durchgefallen. Wer kennt diese Situation nicht? Aber was solltest du jetzt tun? Lohnt es sich, gegen die gefühlte Ungerechtigkeit vorzugehen? Und wann ist eine Prüfungsanfechtung sinnvoll?
Zunächst schauen wir uns an, was eine Prüfungsanfechtung eigentlich ist. Das Anfechten einer Prüfung ist ein juristischer Schritt und hat offiziellen Charakter. Du solltest eine Anfechtung deshalb nie aus einer Emotion heraus oder im Affekt starten, sondern immer wohlüberlegt vorgehen. Bei einer Prüfungsanfechtung gehst du gegen Verfahrens- oder Bewertungsfehler vor. Ziel ist es, eine Notenverbesserung oder im besten Fall ein Bestehen der Prüfung zu erreichen. Doch welche Gründe kannst du dabei anführen?
Für eine Prüfungsanfechtung kannst du verschiedene Verfahrensfehler geltend machen:
Wichtig: Bei Verfahrensfehlern liegt die Beweislast bei dir – du musst also den Sachverhalt detailliert darlegen und belegen können.
Auch Bewertungsfehler können ein Grund für eine Prüfungsanfechtung sein. Dazu gehören beispielsweise:
Wird deiner Prüfungsanfechtung zugestimmt, dann hängt das weitere Vorgehen davon ab, welcher Fehler vorlag. Bei einem Verfahrensfehler folgt meist eine Wiederholung der Prüfung – unter den gleichen Bedingungen, aber mit Korrektur des gewählten Fehlers. Der:die ursprüngliche Prüfer:in bleibt in der Regel, sofern er:sie nicht selbst der Grund für den Fehler war.
Bei einer erfolgreichen Anfechtung wegen Bewertungsfehlern wird deine bereits abgelegte Prüfung neu – und zwar durch andere Prüfer:innen – bewertet. So hast du die Chance, dass deine Leistung objektiv und fair eingeschätzt wird.
Hast du dich nach reiflicher Überlegung für eine Prüfungsanfechtung entschieden, solltest du einem klaren Ablauf folgen. Bei einem Verfahrensfehler ist es besonders wichtig, dass du sofort eine Rüge aussprichst und damit eine Nachbesserung forderst. Das kann zum Beispiel sein, dass du verlangst, die Heizung anzustellen, weil die Temperatur im Prüfungsraum unzumutbar ist. Diese Rüge sollte schriftlich ins Prüfungsprotokoll aufgenommen werden. Bei mündlichen Prüfungen kannst du die Rüge auch erst nach Abschluss der Befragung anbringen, damit du nicht befürchten musst, deine Note durch eine direkte Konfrontation zu gefährden.
Bei einer klassischen Prüfungsanfechtung solltest du nach der Bekanntgabe deiner Note Akteneinsicht bei der Prüfungsbehörde beantragen und dir deine Prüfung mit den Bemerkungen der Prüfer:innen anschauen. Da diese Bemerkungen oft nicht ausreichen, forderst du im nächsten Schritt eine schriftliche Begründung der Prüfungsergebnisse an. Dadurch müssen die Prüfer:innen ihre Benotung im Detail erklären – das macht ihre Bewertung angreifbarer. Anschließend formulierst du deine Gegendarstellung und schilderst darin, warum du den Sachverhalt anfechtest. Diese Gegendarstellung ist die eigentliche offizielle Anfechtung und muss form- und fristgerecht eingereicht werden – meist innerhalb von vier Wochen, aber prüfe immer die genauen Fristen für deinen Fall.
Eine Prüfungsanfechtung kann sehr nervenaufreibend sein und kostet manchmal auch Geld. Daher solltest du genau abwägen, ob eine Anfechtung in deinem Fall sinnvoll ist. Grundsätzlich kannst du jede Prüfung anfechten, die von einer staatlichen Stelle, einer Schule, Universität oder einer Kammer durchgeführt wurde. Doch nicht immer ist ein Widerspruch auch wirklich angebracht. Sinn macht es immer dann, wenn die betreffende Prüfung deine schulische oder berufliche Zukunft maßgeblich beeinflusst – zum Beispiel Abschlussprüfungen in der Ausbildung, entscheidende Uniklausuren oder das Abitur, wenn der Numerus Clausus für deinen Wunsch-Studiengang auf dem Spiel steht. In solchen Fällen solltest du bei einer ungerechten Bewertung unbedingt aktiv werden und für deine Rechte kämpfen.
Nicht jede Anfechtung ist erfolgreich. Wird zum Beispiel bei dir nach der Prüfung eine ernsthafte Krankheit diagnostiziert, hast du gute Chancen auf Erfolg. Ein etwas zu kühler Raum hingegen, den du während der Prüfung nicht beanstandet hast, wird wahrscheinlich kein ausreichender Grund sein. Bedenke außerdem, was du erreichen willst: Bei Verfahrensfehlern bekommst du normalerweise die Möglichkeit zur Nachprüfung – dann kann aber auch eine schlechtere Note dabei herauskommen! Bei Bewertungsfehlern bekommst du eine Neubewertung, hier darf sich deine Note nicht verschlechtern.
Eine wichtige Entscheidung ist, ob du für die Prüfungsanfechtung rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen möchtest. Ein:e Anwalt:Anwältin kostet zwar Geld, ist aber eine sinnvolle Unterstützung, wenn es dir schwerfällt, sachlich zu bleiben oder du dir bei Fristen und Formales unsicher bist. Juristische Unterstützung gibt dir Sicherheit und vermeidet eigene Verfahrensfehler. Die Kosten für den Anwalt:die Anwältin richten sich klar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, können sich bei längeren Verfahren aber erhöhen.
Eine Prüfungsanfechtung ist eine nervenaufreibende und eventuell auch kostspielige Aktion. Ihr solltet euch daher die Sinnhaftigkeit der jeweiligen Anfechtung reichlich überlegen. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass ihr jede Prüfung anfechten könnt, die vom Staat oder von Trägern hoheitlicher Gewalt durchgeführt werden. Darunter fallen Universitäten, alle Schulformen, aber auch die Kammern. Das bedeutet, gegen nahezu jede Prüfung könnt ihr Widerspruch einlegen, wobei ihr es nicht bei jeder Prüfung tun solltet. Eine Anfechtung macht Sinn, wenn die jeweilige Prüfung eure schulische oder berufliche Zukunft deutlich beeinflusst. Hierunter fallen Abschlussprüfungen von Ausbildungen, Klausuren an der Universität, die über ein Weiterführen des Studiums entscheiden oder Abiturprüfungen, bei denen ein Numerus Clausus für die spätere Universität unbedingt erreicht werden muss. In solchen Fällen solltet ihr bei einer ungerechten Behandlung den Weg der Prüfungsanfechtung gehen und dadurch eine bessere Note oder ein Bestehen der Prüfung anstreben.