Eine Gruppe junger Menschen sitzt auf einer blauen Bank und wartet in einem Wartezimmer
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Eine Gruppe junger Menschen sitzt auf einer blauen Bank und wartet in einem Wartezimmer
Sinnvoll nutzen statt Zeit verschwenden

Wartesemester überbrücken:

Beim Wartesemester überbrücken gilt: Wer die Zeit richtig nutzt, macht aus dem vermeintlichen Karriere-Killer einen Job-Vorteil. bigKARRIERE zeigt dir wie!

Wartesemester: Fast alles zählt

Grundsätzlich startet die Wartesemester‑Uhr sofort nach dem Abitur. Für jedes Jahr ohne Studienplatz werden dir automatisch zwei Wartesemester angerechnet – ganz egal, wie du diese Zeit nutzt. Wartesemester entstehen immer dann, wenn du nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung nicht an einer deutschen Hochschule immatrikuliert bist. Ein freiwilliges soziales Jahr, ein Praktikum oder eine Reise zählen daher als Wartezeit, solange du dich nirgendwo eingeschrieben hast.

Die große Ausnahme: Wenn du dich in einen (anderen) Studiengang einschreibst, zählt diese Zeit nicht als Wartezeit – selbst dann nicht, wenn das Studium nicht deinem ursprünglichen Wunschfach entspricht Sobald du eingeschrieben bist, verfallen deine bis dahin gesammelten Wartesemester. Wartesemester können außerdem nicht übertragen oder „verkauft“ werden; sie gelten immer nur für die Person, die gewartet hat.

Was sind Wartesemester genau?

Als Wartesemester gelten alle Halbjahre (Winter‑ und Sommersemester), in denen du nach dem Abitur nicht an einer deutschen Universität oder Hochschule eingeschrieben bist. Die Wartesemester werden automatisch gezählt – du musst keinen Antrag stellen. Sie werden allerdings sofort gestrichen, wenn du ein Studium aufnimmst oder bereits studierst.

Viele glauben, dass sich die Abi‑Note automatisch um 0,1 pro Wartesemester verbessert. Dieses Gerücht stimmt so nicht: Nur in einigen Auswahlquoten einzelner Hochschulen/Fächern wird die Note pro Wartesemester um 0,1 verbessert, und das meist maximal bis zu sieben Wartesemestern. In Nordrhein‑Westfalen beispielsweise fließen 60,8 % der Studienplätze in einer Quote ein, bei der die Abi‑Note um 0,1 pro Wartesemester verbessert wird, begrenzt auf sieben Wartesemester. Es gibt keine bundesweite Regel, nach der Wartesemester automatisch deinen NC erhöhen.

Aktuelle Reform und Bedeutung von Wartesemestern

Im Zuge einer bundesweiten Reform des Zulassungsverfahrens seit 2022 gibt es keine direkte Wartequote mehr. Für die bundesweit vergebenen medizinischen Studiengänge – Humanmedizin, Zahn‑ und Tiermedizin sowie Pharmazie – werden Wartesemester überhaupt nicht mehr angerechnet. Hier entscheiden nun neben der Abiturbestenquote vor allem Eignungstests (z. B. TMS) und weitere Kriterien über die Zulassung.

Bei örtlich zulassungsbeschränkten Studiengängen an staatlichen Hochschulen kann Wartesemester überbrücken noch eine Rolle spielen, jedoch nur in begrenztem Umfang und abhängig vom Bundesland. In vielen Ländern werden maximal sieben Wartesemester berücksichtigt; Mecklenburg‑Vorpommern und Thüringen rechnen gar keine Wartesemester mehr an, während Brandenburg aktuell noch alle Wartesemester zählt. Ein Sonderfall ist das Saarland: Dort gelten nicht allgemeine Warte‑, sondern Bewerbungssemester – nur Semester, in denen du dich tatsächlich beworben hast, werden berücksichtigt.

Was nicht zählt

Studienzeiten sind grundsätzlich keine Wartezeiten. Auch wenn du ein anderes Fach studierst, gehen diese Semester nicht als Wartezeit in die Bewerbung ein. Wartesemester werden außerdem nur an deutschen Hochschulen anerkannt; wer im Ausland studiert, kann keine Wartesemester sammeln. Freiwilligendienste wie Bundesfreiwilligendienst oder Freiwilliges Soziales Jahr werden je nach Regelung teils neutral behandelt – sie verlängern die Wartezeit nicht, nehmen sie aber auch nicht weg.

Wartesemester überbrücken: Warten oder Handeln?

Viele Abiturient:innen kennen das Gefühl, wenn die Uni-Absage ins Haus flattert. Oft möchte man sich nur verkriechen und klammert sich an die Hoffnung, über Nachrückverfahren oder Wartesemester doch noch in den Hörsaal zu kommen. Die Wartezeit sollte aber nicht vergeudet werden, sagen Expert:innen. Denn wer sinnvoll Wartesemester überbrücken kann, punktet später im Job. Hier ein paar Ideen:

  • Praktikum: Am besten in dem Bereich deines Wunschstudiengangs. So kannst du herausfinden, ob das Studium wirklich die richtige Wahl für dich ist – und du sammelst Praxiserfahrung, die dir später gegenüber Kommiliton:innen einen klaren Vorteil verschafft.
  • Freiwilligendienst: Den Bundesfreiwilligendienst gibt es im ökologischen, kulturellen und sozialen Bereich, etwa bei Integration, Sport oder im Zivil- und Katastrophenschutz. Hier lernst du viele Gleichgesinnte kennen, hilfst dort, wo Hilfe gebraucht wird, und erlebst ein spannendes und abwechslungsreiches Jahr!
  • Ehrenamt: Freiwilliges Engagement ist nicht nur ein großer persönlicher Gewinn, auch zukünftige Arbeitgeber:innen nehmen ehrenamtlichen Einsatz positiv wahr. Vergiss nicht, dir Nachweise über deine Tätigkeit(en) ausstellen zu lassen!
  • Reisen: Ausgedehnte Reisen in Regionen, in denen Englisch oder Spanisch gesprochen wird, können ein echter Vorteil für deine Zukunft sein. Da immer mehr Quellliteratur an der Uni auf Englisch erscheint, verschaffst du dir mit Sprachkenntnissen zudem große Pluspunkte bei der Jobsuche.
  • Weiterbilden: Die Wartezeit zwischen Schule und Universität ist ideal für zeitintensive Fortbildungen und Weiterbildungen. Jetzt ist der richtige Moment, um Sprachkenntnisse zu vertiefen, Fotografieskills auszubauen oder sportliche Fähigkeiten zu trainieren – während des Semesters bleibt dafür oft keine Zeit mehr.

Psychologische Seite: Mit Wartezeit-Überbrücken mental umgehen

Die Zeit des Wartesemester-Überbrücken kann emotional belastend sein. Unsicherheit und das Gefühl, „auf der Stelle zu treten“, sind völlig normal. Wichtig ist, dass du dir selbst eine Struktur gibst: Erstelle dir Tages- oder Wochenpläne, setze dir erreichbare Zwischenziele und feiere kleine Erfolge. So bleibst du motiviert und hast das Gefühl, deine Zeit aktiv zu gestalten.

Übe dich außerdem in Gelassenheit: Nicht alles liegt in deiner Hand. Achtsamkeitsübungen, Sport oder kreative Hobbys können dir helfen, den Kopf freizubekommen. Suche aktiv soziale Kontakte, sprich über deine Unsicherheiten und tausche dich mit anderen aus, die vielleicht in einer ähnlichen Situation sind. Auch professionelle Beratungsangebote von Hochschulen oder psychologischen Diensten können unterstützen, wenn Sorgen überhandnehmen.

Sieh die Wartezeit nicht als verlorene Zeit, sondern als Chance, dich persönlich weiterzuentwickeln. Wenn du lernst, mit Unsicherheit konstruktiv umzugehen, stärkt dich das auch für dein späteres Studium und Berufsleben.

Alternativen zu Wartesemestern

Nicht immer musst du überhaupt auf Wartesemester setzen. Es gibt Studiengänge, die zulassungsfrei sind oder an privaten Hochschulen angeboten werden, wo Wartesemester keine Rolle spielen. Du kannst auch ein duales Studium wählen, bei dem Berufspraxis und Studium kombiniert werden, oder einen ausländischen Studiengang wählen. Wichtig ist: Informiere dich rechtzeitig bei der Wunschhochschule über deren Auswahlverfahren und Kriterien, da diese sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.

Eine Praktikantin sitzt vor ihrem Computer und hat Spaß bei der Arbeit
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Eine Praktikantin sitzt vor ihrem Computer und hat Spaß bei der Arbeit

Fazit

Wartesemester sind heute längst nicht mehr die sichere Eintrittskarte für einen zulassungsbeschränkten Studiengang, die sie früher einmal waren. Sie entstehen automatisch, wenn du nach dem Abitur nicht studierst, und sie verfallen, sobald du dich einschreibst. Seit der Reform 2022 spielen Wartesemester besonders in den medizinischen Studiengängen keine Rolle mehr; bei anderen Fächern werden sie nur noch in begrenztem Maße berücksichtigt. Nutze die Wartezeit für Praktika, freiwilliges Engagement, Spracherwerb, Reisen oder berufliche Weiterbildungen, um dich persönlich weiterzuentwickeln und deine Chancen bei zukünftigen Bewerbungen zu verbessern. Und behalte im Blick, dass es viele Wege ins Studium gibt – von NC‑freien Fächern über duale Studiengänge bis hin zu privaten oder ausländischen Hochschulen.