Mindestlohn im Praktikum
Das steht euch zu
2017-03-12T14:37:23+01:00

Ein Praktikum, das wie ein Minijob mit 450 Euro oder gar nur mit einem feuchten Händedruck entlohnt wird? Das war einmal. Dank Mindestlohngesetz wird die Arbeit von Praktikanten endlich mit einem angemessenen Stundenlohn honoriert. Die fette Gehaltserhöhung klingt auf dem Papier erst mal verlockend. Doch der Mindestlohn kann sich auch als Hürde beim Berufseinstieg erweisen. Wir verraten euch, welche Vor- und Nachteile der Mindestlohn hat und wie euch ein erfolgreicher Start in die Berufspraxis gelingt.
Praktikum und Mindestlohn – Zahlen und Fakten
8,84 Euro brutto pro Stunde: Für weniger Geld darf kein Arbeitgeber in seinem Unternehmen arbeiten lassen. Das regelt das Mindestlohngesetz (abgekürzt MiLoG) seit dem 1. Januar 2015 – und das gilt auch für die Mehrzahl der Praktikanten. Damit erhaltet ihr künftig bei einem Praktikum im Idealfall einen Monats-Bruttolohn in Höhe von 1.414,40 Euro. Zieht man davon die Steuern ab, bleibt bei einer 40-Stunden-Woche noch 1.200 Euro netto übrig. Da kann man euch zur Gehaltserhöhung nur beglückwünschen!
Laut Clevis-Praktikantenspiegel 2017, der deutschlandweit größten Praktikantenstudie, sind fast 90 Prozent der befragten Praktikanten mit ihrem Beschäftigungsverhältnis zufrieden. Und das obwohl über 40 Prozent regelmäßig Überstunden machen. Der Mindestlohn im Praktikum hat sicher auch seinen Teil zum positiven Fazit beigetragen.

Praktikum Mindestlohn – die Ausnahmen
Fast neun Euro in der Stunde für jede Menge Praxiserfahrung? Klingt nach einem fairen Deal. Doch die Realität von Praktikanten sieht leider nicht ganz so rosig aus. Denn es gibt einige Ausnahmen.
1. Freiwilliges Praktikum (kürzer als 3 Monate)
Ein freiwilliges Praktikum dient zur Orientierung bei der Berufswahl und im Studium, ist aber keine Pflicht. Gerade Geisteswissenschaftler nutzen die Gelegenheit, während des Studiums Berufserfahrung zu sammeln oder um nach dem Abschluss den Einstieg ins Berufsleben zu finden. Nach dem Gesetz muss euch der Arbeitgeber den Mindestlohn zahlen - jedoch nur, wenn das Praktikum länger als drei Monate dauert. Bei kürzeren Praktika kann er euch weiterhin zahlen, was er möchte. Wichtig: Bei freiwilligen Praktika, die nach drei Monaten verlängert werden, muss der Mindestlohn rückwirkend gezahlt werden.

2. Ihr seid noch keine 18 Jahre alt
Wenn ihr ein Praktikum in einer Firma absolviert und ihr seid noch nicht volljährig, habt ihr ebenfalls keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Die Ausnahme: Ihr habt bereits eine Berufsausbildung in der Tasche. Dann stehen euch ebenfalls 8,84 Euro zu.
3. Pflichtpraktikum
Eure Hochschule oder Schule schreibt das Praktikum vor (egal, ob das Praktikum vor oder während des Studiums absolviert wird), da ihr ansonsten euren Abschluss nicht machen könnt? Auch hier schaut ihr gehaltstechnisch in die Röhre, selbst wenn das Pflichtpraktikum länger als drei Monate dauern sollte.
4. Bachelor- oder Masterarbeiten
Wenn ihr eine Abschlussarbeit im Rahmen eines Praktikums schreibt, muss euch der Mindestlohn nicht gezahlt werden. Hierbei handelt es sich nämlich streng genommen um kein mindestlohnpflichtiges „Praktikum“. Denn in einem Praktikum sollt ihr laut Gesetz vor allem praktische Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen, die ihr für euer späteres Berufsleben braucht.
5. Praxisphasen im Rahmen des dualen Studiums
Der Mindestlohn gilt auch nicht für Praxisphasen im Rahmen des dualen Studiums, da diese als Pflichtpraktika gelten. Die Vergütung zwischen Unternehmen und Student ist hier im Studien- und Ausbildungsvertrag geregelt.
Fazit: Wenn diese Ausnahmeregelungen auf euch nicht zutreffen, dann müsst ihr den Mindestlohn zwingend erhalten – selbst dann, wenn ihr mit einer geringeren Vergütung einverstanden seid.
Mindestlohn für Praktikanten: Vor- und Nachteile
Was kann an einer gerechten Bezahlung von Praktikanten verkehrt sein? Die Argumente Pro-Mindestlohn sollten eigentlich überwiegen. Doch für Praktikanten bringt der Mindestlohn maßgebliche Veränderungen, um einen gelungenen Start im Berufsleben hinzulegen. Wir nennen euch nachfolgend die Vor- und Nachteile des Praktikum-Mindestlohns.

Vorteile Mindestlohn im Praktikum
- Mit dem Mindestlohn wird der Ausbeutung von Praktikanten, die oft wie normale Vollzeitkräfte eingesetzt werden und nicht selten Überstunden leisten, ein Riegel vorgeschoben. Nach dem Clevis-Praktikantenspiegel arbeiten nur noch drei Prozent der Praktikanten ganz ohne Bezahlung.
- Klar, als Praktikanten wollt ihr in erster Linie viel Neues lernen. Außerdem macht sich ein Praktikum, insbesondere bei einem bekannten Unternehmen wie Porsche oder Bosch gut im Lebenslauf. Kommt dazu noch eine korrekte Bezahlung, steigert das natürlich die Motivation. Da macht man dann dem Chef zwischendurch gern auch mal Kaffee.
- Auch ein Praktikum muss man sich leisten können. Durch den Mindestlohn wird sichergestellt, dass ihr aus finanziellen Gründen nicht auf spannende Praxiserfahrung verzichten müsst. Denn die ist für den Berufseinstieg enorm wichtig.
Nachteile Mindestlohn im Praktikum
- Durch die Einführung des Mindestlohns sind viele Praktikumsplätze weggefallen. Denn kleinere Unternehmen können sich diesen häufig nicht mehr leisten.
- Klar, wer hat am Ende des Monats nicht gern mehr Kohle in der Tasche? Aber Geld ist nicht die einzige Motivation, um ein Praktikum zu absolvieren. Wichtiger als Geld ist vielen eine gute Arbeitsatmosphäre und interessante Aufgaben während des Praktikums, wie eine YouGov-Studie erst kürzlich herausfand.
- Aufgrund des Mindestlohn-Gesetzes werden sich künftig nicht wenige Unternehmen für günstigere Pflichtpraktikanten entscheiden anstatt für teurere, aber qualifizierte Praktikanten, die ein freiwilliges Praktikum anstreben.
- Machten vor der Einführung des Mindestlohns nur rund elf Prozent der befragten Praktikanten ein dreimonatiges Praktikum, verdoppelte sich diese Zahl nach der Einführung auf fast 21 Prozent. Werden Praktikanten aufgrund des Mindestlohns nur noch maximal drei Monate angestellt, leidet allerdings die Lernkurve. Kaum seid ihr eingearbeitet und kennt die Abläufe im Betrieb, ist das Praktikum auch bereits wieder vorüber. Bei einem Kurzpraktika können dem Praktikanten verantwortungsvolle Aufgaben daher kaum übertragen werden.
Branchenüberblick: Wo gibt’s als Praktikant die meiste Kohle?
Was Praktikanten genau verdienen, hängt auch von der Branche ab. Prinzipiell gilt: Bei einer Bank oder Unternehmensberatung winkt das meiste Geld. Auch in der Pharma-, Fahrzeugbau- oder Konsumgüter-Branche leistet man sich gerne Praktikanten zum Mindestlohn. In sozialen Berufen hingegen müsst ihr euch mit deutlich weniger zufriedengeben. Geht es darum, den Mindestlohn zu umgehen, können Arbeitgeber sehr kreativ werden: So deklarieren manche Betriebe beispielsweise freiwillige Praktika als Pflichtpraktika. Nur, um dann weniger zahlen zu müssen.

Mindestlohn in der Praxis: So findet ihr das für euch passende Praktikum
Da nach der Einführung des Mindestlohns im Praktikum die Tendenz zu kurzen Praktika geht, kann die Suche nach einem Praktikum von mehr als drei Monaten Dauer schwierig werden. Wir geben euch Tipps, wie ihr das Beste aus der aktuellen Situation macht.
1. Startup als Alternative
Wenn auch nur wenige Unternehmen den Mindestlohn uneingeschränkt zahlen wollen, bedeutet das nicht, dass ihr bald gar keine Praktikantenstelle mehr finden werdet. Ihr müsst euch nur auf einen kürzeren Zeitraum einstellen. Ein Praktikum in einem Start-up kann da eine gute Alternative darstellen. Denn hier lernt ihr selbst in ein paar Monaten eine Menge, da man euch in der Regel schnell viel Verantwortung überträgt und die Hierarchien flacher sind. Auch die Arbeit in einem jungen, innovativen Team kann euch mehr bringen als in einem großen, schwerfälligen Konzern.
2. Große Unternehmen bevorzugen
Wenn ihr ein längerfristiges Praktikum machen wollt und ihr große Unternehmen bevorzugt, stehen die Chancen, dass ihr den Mindestlohn bezahlt bekommt, nicht schlecht. Denn Geld stellt hier oft nicht die Hürde dar. Dennoch setzen auch in diesem Bereich einige Branchengrößen mittlerweile hauptsächlich auf Pflicht- und Kurzzeitpraktikanten. Wenn ihr in der Automobilbranche Erfahrung sammeln wollt, dürft ihr auch auf den Mindestlohn hoffen. Durchstöbert einfach die Praktikumsbörsen und probiert euer Glück mit Initiativbewerbungen. Vielleicht fällt dem Unternehmen bei eurer Bewerbung auf, dass jemand mit euren Fähigkeiten aktuell genau gesucht wird.
3. Kurzpraktika als Chance sehen
Auch wenn es aufgrund des Mindestlohns auf dem Praktikumsmarkt derzeit nicht so toll aussieht: Steckt den Kopf nicht in den Sand! Schließlich geht es um eure Ausbildung und um eure Zukunft. Da solltet ihr euch durch so ein Gesetz nicht entmutigen lassen. Wenn ihr kein Unternehmen findet, das Langzeitpraktika anbietet, dann ergreift die Chance und absolviert ein dreimonatiges Praktikum. Nehmt es als Ansporn, in der kurzen Zeit so viel wie möglich für euer späteres Berufsleben mitzunehmen. Und vielleicht beeindruckt ihr damit ja auch euren Arbeitgeber und ihr kommt später dort sogar mal unter.

Fazit: Wählt euer Praktikum nach euren Interessen aus – nicht nach dem Geld
Euer Studium erfordert verpflichtend ein Praktikum oder ihr möchtet freiwillig ein Praktikum absolvieren, um damit euren Lebenslauf zu pimpen? Ein Praktikum lohnt sich in jedem Fall, denn ihr sammelt wertvolle berufliche Erfahrungen, die wichtig für den Berufseinstieg sind. Merkt euch einfach: Pflichtpraktikanten werden nicht entlohnt, freiwillige Praktika erst ab drei Monaten. Es sei denn, sie finden nach eurem Abschluss statt. Mindestlohn hin oder her: Generell solltet ihr euren Arbeitgeber nicht nach der Bezahlung aussuchen, sondern allein nach euren individuellen Neigungen und Interessen.